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Bauen ohne Land – mit Holz

Investieren für die nächste Generation

Mit cleveren Umbauten wie Aufstockungen wird der knappe Boden in der Schweiz – im Sinne der Verdichtung nach innen – immer intensiver genutzt. Die Holzbauweise schafft dabei nicht nur baulichen Mehrwert in Form von neuem Wohnraum im Bestand, sondern senkt auch die Energiekosten und hilft als natürlicher CO2-Speicher dem Klima.

Im Schweizer Wohnareal zeigen sich Anzeichen für eine allmählich sparsamere Bodennutzung. Im Jahr 2000 wurden noch 43 Prozent der Neubau-Wohneinheiten in Einfamilienhäusern erstellt. 2020 waren es nur noch knapp elf Prozent, wie der Raiffeisen-Immobilienbericht im vierten Quartal 2021 festhielt. Stattdessen werden immer mehr vergleichsweise platzsparende Etagenwohnungen in immer grösseren und höheren Mehrfamilienhäusern gebaut. 2005 wurden durchschnittlich noch 5.7 Wohnungen pro Mehrfamilienhaus erstellt, 2019 waren es bereits 7.5 Wohnungen.

Umbau trägt zur Verdichtung bei

Nicht nur im Neubau zeigen sich Verdichtungstendenzen. Der Anteil der Wohnungen, der durch Aufstockungen, Erweiterungen und andere Umbauten neu entstanden ist, hat sich gemäss Raiffeisen innerhalb von zehn Jahren von rund sieben Prozent auf 13 Prozent fast verdoppelt.

Verdichten ist in erster Linie dort von Interesse, wo neues Bauland ohnehin rar ist: in den Städten. In der Stadt Zürich zum Beispiel wurde zwischen 2017 und 2021 eine von sechs zusätzlichen Wohnungen im Rahmen eines Umbauprojektes geschaffen. Seit 2014 beträgt der positive Umbausaldo jeweils um die 200 Wohnungen pro Jahr.

Zugleich werden aber auch immer mehr alte Wohnungen komplett abgerissen, um Platz für Ersatzneubauten zu schaffen. Noch einmal Zürich: Hier haben sich die Abbrüche von Wohnungen seit den Neunzigerjahren vervielfacht. Damit einher geht eine klare Verdichtung der Bausubstanz. Im Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019 wurde in der Limmatstadt jede abgebrochene Wohnung durch 1.7 Neuwohnungen ersetzt.

Alle Optionen für ein Projekt prüfen

Ersatzneubau wird nicht nur gern mit der Verdichtungswirkung begründet, sondern auch oft mit dem Argument, moderne Neubauten schnitten energetisch viel besser ab als der damit verdrängte Bestand. Aussen vor bleibt in dieser Betrachtung allerdings die Bilanz von Grauenergie und grauen Treibhausgasemissionen. Ein nachhaltiger Gebäudepark sollte vor allem möglichst langlebig sein, um klimatauglich zu sein. Das spricht grundsätzlich für Weiterbauen und Sanieren des Bestandes, wo immer möglich.

Licht von allen Seiten: Blick in die aufgestockte Attikawohnung in Zürich-Wollishofen.

Natürlich gilt es aber immer eine Auslegeordnung zu machen, bevor ein Entscheid für ein konkretes Vorgehen gefällt wird. Die Möglichkeiten aus Baurecht und Ausnutzung gehören ebenso in die Gesamtschau wie der Zustand und die Entwicklungsmöglichkeiten der vorhandenen Bausubstanz einschliesslich der Gebäudetechnik. Smarte Start-ups wie etwa die St. Galler Raumpioniere helfen dabei, Potenziale für das Bauen ohne Land rasch zu erkennen.

Wenn sich am Ende doch ein Ersatzneubau als richtige Lösung herausstellt, ist die Wahl von Holz als Baumaterial sinnvoll. Denn das Bauen muss sich in der Schweiz entschieden in Richtung Klimaneutralität bewegen. Dabei ist der Baustoff Holz mit seiner sehr tiefen Grauenergie und seiner Fähigkeit, CO2 langfristig zu speichern, ein entscheidender Faktor.

Mit Holz weiterbauen

Holz eignet sich aber auch für das Weiterbauen im Bestand in ausgezeichneter Weise. Unabhängig von der Nutzung bietet der Holzbau gerade beim Erweitern vielfältige Vorteile: zum Beispiel einen äusserst geringen Zeitbedarf für die Montage, die trockene Bauweise und eine schlanke Baustellenlogistik. Die Nutzung der bestehenden Substanz erfährt nur eine geringe Beeinträchtigung, zum Teil geht es sogar ohne Unterbrechungen. Darum ist Holz für An- und Aufbauten aller Grössenordnungen sehr beliebt.

Wenn es darum geht, mit einer Aufstockung Platz nach oben zu schaffen, überzeugt das Material ganz besonders. Holz ist leicht – es belastet deshalb die bestehende Bausubstanz viel weniger als eine massive Bauweise. Darum können Aufstockungen mit Holz oft auch über mehrere Geschosse realisiert werden, ohne dass der Bestand Verstärkungen braucht. Die hochpräzise Vorfertigung in der Werkhalle sorgt dabei für beste bauliche Qualität.

Nutzen für Energie und Klima

Auch in diesen Anwendungen entfaltet Holz seine klimatisch positive Wirkung als natürlicher CO2-Speicher. Mit Holz ist man aber auch auf der sicheren Seite, was die Energieeffizienz angeht. Wandkonstruktionen in Rahmenbauweise können in ihrem Innern eine Wärmedämmung aufnehmen, die bei einer massiven Bauweise noch zusätzlich aussen aufgebracht werden müsste. So erreichen schlanke Bauteile aus Holz sehr gute Wärmedämmwerte. Das wiederum ermöglicht ansehnliche Flächengewinne im Innern.

Raumgewinn und Energieeffizienz lassen sich zudem bei Aufstockungen auch über die neu erstellten Geschosse hinaus hervorragend kombinieren, indem eine Erneuerung der ganzen Gebäudehülle erfolgt. Bei den mittlerweile erreichten Energiepreisen und angesichts laufend verschärfter gesetzlicher Anforderungen lohnt sich das Nachdenken über eine solche Lösung allemal. Ein noch ungenügend gedämmter Massivbau kann zum Beispiel mit einer Aussenhaut aus vorgefertigten Holzelementen ummantelt werden, oder eine ungenügend gedämmte vorgehängte Fassade lässt sich damit ersetzen.

Aufstockung im Zürcher Seefeld: So zeigt sich das neue Ensemble im fertigen Zustand.

Wertzuwachs an bester Lage

Aufstockungen an bester Lage schaffen besonders hohe Werte – so zum Beispiel an der Münchhaldenstrasse im angesagten Zürcher Seefeld-Quartier, wo die Architekten der Wanner + Fankhauser AG (Zürich) 2020 für die INVOR Vorsorgeeinrichtung Industrie ein Mehrfamilienhaus aus den 1930er-Jahren rundum saniert und eingeschossig aufgestockt haben. Nur einen Monat dauerte es, die Aufstockung mit gleich vier zusätzlichen Wohnungen von zweieinhalb bis viereinhalb Zimmern in Holzbauweise zu errichten. Für das gesamte Holzbau-Engineering und den Holzbau selbst zeichnete die Renggli AG (Sursee) verantwortlich.

Die Winterthurer Auwiesen Immobilien AG ist für das Portfoliomanagement der INVOR-Immobilien zuständig. Dessen Leiter Christian Tribelhorn zeigt sich zufrieden mit dem erreichten Resultat: «Bezüglich der Aufstockung konnten wir als Eigentümervertreterin die Vorteile des Holzbaus bezüglich der Geschwindigkeit des Aufbaus und der Statik voll ausnutzen, was eine gute Renditebetrachtung ergab.»

Neuer Wohnraum mit System

Ein zweites gelungenes Beispiel aus der Limmatstadt: Mit dem Aufbau eines Voll- und eines Attikageschosses auf ein bestehendes Gebäude aus den 1950er-Jahren in Zürich-Wollishofen hat die Holzbaufirma Häring AG aus Eiken als Totalunternehmerin zusammen mit Mainberger + Spahr Dipl. Architekten ETH (Zürich) letztes Jahr drei zusätzliche Wohneinheiten geschaffen. Zum Zug kam bei diesem Projekt das Häring-Aufstockungssystem «Attico».

Zeitgleich mit der Gebäudeaufstockung liess die Bauherrin Osterwalder Immobilien Zürich AG die bestehenden fünf Wohnungen in den Grundrissen modernisieren und totalsanieren. Die Neuausstattung der Liegenschaft mit einem Bodenheizsystem erhöht den Wohnkomfort zusätzlich. Auf der Rückseite des Gebäudes erfolgte der Anbau grosser Balkone. Das ganze Gebäude wurde mit einer verputzten Aussenwärmedämmung energetisch vollständig saniert. Zusätzlich wurde im Zuge der Bauarbeiten eine Fotovoltaik-Anlage auf dem neu erstellten Attikadach installiert.

Sanieren und aufstocken in einem Zug

Und noch ein drittes aktuelles Beispiel aus Zürich: ks architecture (Zürich) hat ebenfalls in Zürich-Wollishofen für eine private Bauherrschaft ein Mehrfamilienhaus um eine zweigeschossige Attikawohnung im Holzbau ergänzt, die höchsten Energieeffizienzstandards genügt. Ausgeführt hat die wertvermehrende Baumassnahme Hector Egger Holzbau (Langenthal). Zugleich mit der Aufstockung brachten eine Dämmung der Backsteinmauern und neue Fenster die alte Bausubstanz energetisch auf Vordermann, die wie im ersten Beispiel aus den 1930er-Jahren stammte. «Um die alten und neuen Gebäudeteile zu einem architektonisch stimmigen Ganzen zu vereinen, haben wir sowohl am neuen als auch am alten Teil eine hinterlüftete Fassade mit Holzunterkonstruktion eingesetzt», betont Architekt Andrei Koshelev. Und weiter führt er aus: «Tatsächlich ermöglichte gerade die Holzkonstruktion der oberen beiden Stockwerke die gesamte energieeffiziente Kombination von Alt und Neu: Jede andere Konstruktion wäre zu schwer und zu teuer gewesen. Die beiden neuen Stockwerke waren übrigens innerhalb von nur zwei Tagen aufgebaut. Mit dem Holzbau verfügt man bei Hausaufstockungen und -sanierungen wirklich über ein sehr starkes Instrument.»

Michael Meuter ist Verantwortlicher für Information bei Lignum – Holzwirtschaft Schweiz, Zürich.

www.lignum.ch