bauRUNDSCHAU

Der Prozess läuft

Ein innovatives Mindset der Verantwortungsträger ist eine Basis für den digitalen Erfolg.

Im Rahmen der digitalen Transformationen hat es die Baubranche nicht leicht. Ihre Prozesse sind komplexer und es gibt im wahrsten Sinne des Wortes viele Baustellen. Aber jetzt springen auch hier viele Verantwortliche auf den digitalen Zug auf. Wo liegen die Stolpersteine und welche Trends werden sich durchsetzen? Wir führten mit Wilhelm Heckmann, dem Managing Director bei der CNT Management Consulting AG in der Schweiz, ein Interview, um nicht nur diese beiden Fragen zu beantworten.

Steigen wir mit einer persönlichen Frage ein. Zunächst war das Arbeiten in der Pandemie für viele ein neuer qualitativer Sprung in neue digitale Arbeitswelten. Es war eine herausfordernde, aber auch faszinierende Reise. Nach mehr als einem Jahr Pandemiegeschehen sehnen sich viele nach analogen, sozialen Begegnungen, die jetzt auch wieder vermehrt möglich sind. Wie sehen Sie die Situation und Entwicklungen?
Bei uns war Digitalisierung auch schon vor der Pandemie ein Thema. Skype-Sitzungen waren und sind bei uns Alltag, natürlich nicht in diesem Ausmass wie jetzt seit anderthalb Jahren. Wir treiben die Transformation durch Digitalisierungsstrategien voran, aber Sie liegen richtig: Auch ich sehne mich nach mehr sozialen Kontakten – gerade mit Kunden. Intern fehlen mir in erster Linie die ungeplanten Kontakte, beispielsweise rund um den Kaffeeautomaten. Beim Kunden sind wir in Projektgeschäften. Auch da kann man unkompliziert und schnell vor Ort Herausforderungen lösen. Der Flurfunk fehlt. Jetzt scheint ja wieder eine gewisse Normalisierung Einzug zu halten. Hoffentlich hält das auch im Herbst an.

Ist das ein Zurück zu alten Zeiten?
Definitiv nicht. Das neue Normal ist nicht das alte Normal. Die Zeiten haben sich verändert.

Digitalisierungslösungen werden in KMU-Zusammenhängen manchmal zu früh und sehr oft zu spät eingesetzt. Wie meistern Unternehmensverantwortliche, die ja meist selbst keine technischen Expertinnen und Experten sind, diese Gratwanderung und wie gehen Sie hier bei Ihren Kunden strategisch vor?
Es ist richtig, wenn man seine Prozesse durch Digitalisierung effizienter gestalten will, hat man sehr schnell viele Fragezeichen im Kopf. Wir haben im Rahmen der ersten Schritte gute Erfahrungen mit klaren strategischen Meilensteinen gemacht. Da braucht es nicht nur technische Kenntnisse und Branchenerfahrungen, sondern auch Verständnis für den Kunden. Soziale Kompetenz ist hier kein Fremdwort. Wir sind in erster Linie ein SAP-Beratungsunternehmen. Das ist unsere Kernkompetenz. Aber gleichzeitig braucht es eine Vorstellung davon, was ich wo machen will. Geht es beispielsweise um bessere und schnellere Kundenbeziehungen? Wenn solche ersten Fragen beantwortet sind, gilt es, einen transparenten Prozess der Kommunikation zu entwerfen. Last, but not least kommt die Frage der Ressourcen, sprich Finanzen, zum Tragen. In Zeiten der Pandemie und auch danach gibt es da ganz unterschiedliche Situationen. Es gibt Krisengewinner und Unternehmen, die richtig durchgeschüttelt werden. Zusammengefasst steht die Erstellung einer Roadmap auf der Agenda, die Prioritäten aufzeigt. Es geht dabei nicht um einen Jahresplan, der dann in Stein gemeisselt ist und bei dem nichts mehr verändert werden kann, sondern um einen strukturierten Rahmen.

Kommen wir zu einer konkreten Branche, der Baubranche. Diese ist nicht gerade ein «early bird», was die Umsetzung der Digitalisierung betrifft. Der Blick auf Baustellen verdeutlicht dies. Jeder Hausbau ist eigentlich ein Unikat. Da sind die üblichen Vorteile der Digitalisierung viel schwieriger als in anderen Branchen zu realisieren. Das spiegelt sich sicher auch in Office-Lösungen der Branche wider. Ist das Glas halb leer oder halb voll?
Wir haben einige Kunden in dieser Branche. Dort gibt es durchaus Vorreiter wie die Porr AG, ein grosser Player der Baubranche in Österreich. Die Verantwortungsträger haben ein sehr innovatives Mindset. In der Branche selbst, das haben Sie angesprochen, ist vieles verteilt, regional und bezüglich der Prozesse komplexer als in anderen Branchen. Demgegenüber hilfreich ist eine neue Infrastruktur, beispielsweise in der Kommunikation mit dem Standard 5G. Gerade die mobilen Lösungen helfen auf Baustellen echt weiter. Dazu kommen Herausforderungen wie komplexe Grösse oder Compliance. Das braucht Transparenz und diese braucht wiederum Digitalisierung. Allein das Thema Ausschreibung von Projekten, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist, zeigt auch die regulativen Herausforderungen auf, die von der IT-Seite abgebildet werden müssen.

Wie kann man in dieser Branche bei IT-Lösungen unterscheiden? Was ist nützlich und was ist Zukunftsmusik oder Nische? Es gibt virtuelle Brillen für digitale räumliche Welten. In China kommen Häuser aus dem 3-D-Drucker. Ich könnte mit solchen exotischen Beispielen fortfahren…
Man muss sich als Unternehmen nicht nur einmal mit solchen Themen und Fragestellungen beschäftigen. Ich muss es evaluieren. Was hilft meinem Unternehmen und was tut sich am Markt? Hier zu Lösungen zu kommen, ist eine herausfordernde Aufgabe und ich brauche dazu die richtigen Partner. Externe Unterstützung ist angesagt, allerdings nur in einer zielgerichteten Form. Man muss sich ja in erster Linie auf sein Kerngeschäft konzentrieren. Hier den richtigen Partner zu haben, ist der Schlüssel zum Erfolg.

Wie stellt sich die Situation bei Porr dar? Es müssen ja auch alle Beteiligten bei einem Projekt auf gleicher Augenhöhe agieren – beim Thema BIM lässt sich das beispielhaft aufzeigen. Sonst drohen ja die gesamten Effizienzgewinne wieder verloren zu gehen.
Wir haben uns bei Porr auf den Bereich der Beschaffung konzentriert. Das Ziel war, ein Tool zu finden, welches dezentral eingesetzt werden kann, sprich, dass auf Baustellen diese Beschaffungsvorgänge digital erfasst werden können. Es gilt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort direkt miteinzubeziehen. Dann waren diese Prozesse mit dem ERPSystem im Back Office zu verknüpfen.

Es galt, dem Wildwuchs Einhalt zu gebieten. Oftmals gab es Beschaffungsvorgänge, die gar nicht in dem dafür vorgesehenen System abgebildet waren. Das Ziel war, Transparenz intern und extern herzustellen und damit der Zentrale die Möglichkeit zu geben, Lieferanten zu steuern.

Wie hat man das operativ umgesetzt?
Es ging darum, eine einfache und mobile Lösung zu installieren, die jede und jeder auf der Baustelle schnell lernen und umsetzen kann. Jede und jeder, die oder der auf einer Shoppingplattform online bestellen kann, sollte hier auch tätig werden können.

Die zweite Herausforderung ist die Einplanung der Lieferanten und anderer externer Partner. Da haben Sie einen wichtigen Punkt angesprochen. Alle müssen richtig eingebunden werden. Aber da gibt es auch Lösungen, die helfen.

Was hilft da?
Beispielsweise eine Plattform, die schon verbreitet und damit oft bekannt ist. Das reduziert grosse Schulungsaufwände und minimiert die Implementierungsaufwände.

Früher waren solche Projekte sehr aufwendig, da hierfür beispielsweise immer noch programmiert werden musste. Heute heisst es «ready to use». Die Funktionalität kann sehr schnell genutzt werden. Hilfreich ist hier eine etablierte Cloud-Lösung.

Wie kommen das Cloud-Thema und die ERP-Lösung in der Baubranche
zusammen?
Das ERP-System, auf dessen Grundlage Finanzen, Rechnungswesen und Personal laufen, ist das zentrale Modul. In der Baubranche kommen die Materialwirtschaft und der Beschaffungsprozess dazu. So werden sie digital und transparent. Damit lassen sich über ein ganzes Unternehmen hinweg Lieferzeiten, Bestellwerte oder Produktpreise auswerten. Aber auch Stichworte wie Changemanagement und Compliance sind für die Baubranche wichtig, wenn es um die digitale Transformation geht

Wie sieht dann die Softwarearchitektur aus?
Ein Trend geht in Richtung einer hybriden Lösungslandschaft. In der SAP-Welt sprechen wir von einem digitalen Core. Ein ERP-System steht im Rechenzentrum und dort kann man an die unterschiedlichen Cloud-Lösungen andocken. Von der Beschaffung haben wir schon gesprochen. Das gibt es auch auf der Sales-Seite und bei CRM-Lösungen.

Voll in die Cloud zu gehen, steht aber sicher bei vielen Bauunternehmen auf der Agenda.
Richtig. Hier nutzen die Verantwortlichen das ERP direkt aus der Cloud. Der Vorteil heisst hier Schnelligkeit. Das wird man in den nächsten Jahren beim Thema Sprachsteuerung erleben. Diese wird, da lehne ich mich aus dem Fenster, definitiv an Bedeutung gewinnen. Das sind Innovationen, die für den, der in der Cloud arbeitet, fast schon automatisch kommen. Es wird mir gesagt, welche neuen Bestellungen da sind, ohne dass ich mit der Maus mühsam durch Ordner und Files klicken muss. Die Innovation ist schon «out oft the box» dabei.

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