In der Debatte um die Energiestrategie diskutierten die Spezialisten angeregt darüber, Schlagzeilen machte das Thema während des Abstimmungskampfes dennoch nicht: In der Neuerung, Solarstrom über mehrere Gebäude und Parzellen hinweg gemeinsam nutzen zu können, sahen Profis enormes Potenzial, für Laien war die Sache zu komplex. Nun, ein Jahr nach der Abstimmung, sickert die neue Möglichkeit des Solarstrom-Sharings langsam ins Bewusstsein von Bauherrschaften, erste Projekte stehen in der Pipeline. Doch auch die Fragen stauen sich, das zeigte sich an der Swissolar-Photovoltaiktagung Mitte April 2018 in Bern.

Ganz zu Beginn stellte BFE-Direktor Benoît Revaz vor 600 versammelten Solarprofis die entscheidende Frage nach der Zukunft des Strommarktes – und gab die Antwort gleich selbst: «Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch werden so oder so eine wichtige Rolle spielen.» In dieselbe Kerbe haute ein erfahrener Praktiker. Adrian Kottmanns Firma BE Netz hat schon über 1’800 Solaranlagen realisiert. Auch für ihn ist glasklar: «Der Zusammenschluss zum Eigenverbrauch wird zu einem Erfolgsmodell für Photovoltaikanlagen.» So weit, so sonnig die Prognosen.

In den Mittagsgesprächen war von dieser entschiedenen Euphorie weniger zu spüren. Die einen gaben zu bedenken, dass allein die Aussicht auf zwei Prozent Rendite kaum genügend Kapital für die Energiewende mobilisiere – sowohl beim Zins für die Investitionen als auch für die Verrechnung des Strompreises gelten gesetzliche Obergrenzen. Für andere wiederum waren zu viele rechtliche Fragen ungeklärt: Dürfen zum Beispiel öffentliche Strassenbeleuchtungen in einen Zusammenschluss zum Eigenverbrauch integriert und so noch grössere Gemeinschaften gebildet werden? Für die ElCom (Eidgenössische Elektrizitätskommission) ist die Frage ungeklärt, das BFE bejaht die Frage. Umso gespannter war man auf die Nachmittags-Beiträge.

Daniel Sägesser vom Schweizer Solarhersteller Megasol rechnete direkt aus den Büchern der eigenen Solarfarm in Deitingen vor: Der Selbstversorgungsgrad beträgt 47 Prozent, die Kosteneinsparung beim Strom 40 Prozent. Sein klares Fazit: Grosse Eigenverbrauchsanlagen sind rentabel und energiewirtschaftlich sinnvoll. Doch auch hier folgte das Aber sogleich: Der viel zu langsame Abbau der Einmalvergütungs-Warteliste sei ein Showstopper. Das BFE müsse handeln. Grossanlagen, die neu für die Einmalvergütung angemeldet werden, müssen voraussichtlich sechs Jahre oder mehr auf die Auszahlung warten. Ohne Anstossfinanzierung und politisch günstige Rahmenbedingungen würden sich Photovoltaikanlagen auch heute noch nicht von selbst bauen.

Dass der Wille bei allen Beteiligten da ist, die noch offenen Fragen im Sinne der Solarenergie zu lösen, zeigte schliesslich das mit hochrangigen Vertretern von BFE, Hauseigentümerverband, Mieterverband und VSE besetzte Abschlusspodium: Man ist sich einig, dass für das Erreichen der CO2-Ziele der Photovoltaikausbau massiv zulegen muss und konstruktive Zusammenarbeit unerlässlich ist. Trotz allen Fragezeichen kann man also sagen, wir sind auf einem radikal neuen Pfad mit Hürden, die zu meistern sind, und Chancen, die optimistisch stimmen.

Claudio De Boni ist Mitarbeiter Kommunikation bei Swissolar.

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