Damit Geologen Bohrkerne erhalten, kommen Bohrkronen zum Einsatz. Sie fräsen sich in das Gestein und hinterlassen in der Mitte den Bohrkern. (© Comet Photoshopping, Dieter Enz)

Die Entsorgung radioaktiver Abfälle in der Schweiz ist auf Kurs. Ende 2018 hat das Bundesamt für Energie die letzte Etappe des Sachplans «Geologische Tiefenlager» gestartet. Damit verbunden ist die Einengung von sechs auf drei mögliche Standortgebiete: Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost. Nun steht in den nächsten Jahren die Wahl des besten Standortes für ein Tiefenlager an.

Die von der Nagra aktuell geplanten Tiefbohrungen sind für diese Auswahl wichtig. Bohrungen ergänzen das heute vorhandene Bild des geologischen Untergrundes sehr präzis. Bei allen
Bohrungen steht der Opalinuston – ein sehr wasserdichtes, rund 175 Millionen Jahre altes Tongestein – im Zentrum des Interesses. Der Opalinuston ist die wichtigste «Barriere», um die radioaktiven Substanzen in einem geologischen Tiefenlager einzuschliessen. Er trägt zu einem grossen Teil zur Langzeitsicherheit des Tiefenlagers bei.

KENNTNISSE ÜBER DIE LOKALE GEOLOGIE
Mit den Bohrungen erhält die Nagra abschliessende Antworten zu den Fragen nach Mächtigkeit, Tiefenlage und den genauen lokalen Eigenschaften des Gesteins in den Standortgebieten. Die erste Tiefbohrung startet im April 2019 in der Region Nördlich Lägern, Gemeinde Bülach, während es in der Region Zürich Nordost, Gemeinde Trüllikon, im Frühsommer losgeht. Auch in der Region Jura Ost werden Bohrungen folgen. Die Nagra hat gesamthaft 23 Gesuche für Tiefbohrungen in den drei Standortgebieten eingereicht: acht in Jura Ost, sieben in Nördlich Lägern und acht in Zürich Nordost. Man geht davon aus, dass
nicht alle Tiefbohrungen notwendig sind, und je nach den Resultaten aus den ersten Bohrungen wird schrittweise über die Anzahl der restlichen Bohrungen entschieden.

METER UM METER NACH UNTEN
Eine Tiefbohrung durchbohrt mehrere hundert Meter Gestein und benötigt eine Zeitdauer von mindestens sechs Monaten. Bevor der Bohrbetrieb gestartet werdenkann, muss während circa drei Monaten ein Bohrplatz mit der notwendigen Infrastruktur aufgebaut werden. Als Herzstück des Bohrplatzes wird der sogenannte «Bohrkeller» aus Beton erstellt, auf dem
schliesslich der Bohrturm zu stehen kommt. Während der Bohrung werden Bohrkerne
aus der Tiefe gezogen und Messungen zu Gesteinseigenschaften und wissenschaftliche
Tests zur Bestimmung der Eigenschaften von Tiefenwässern im Bohrloch gemacht. Um die Bohrkerne zu erhalten, werden Bohrkronen eingesetzt, die das Gestein mit grosser Kraft an deren Rand wegfräsen. So «wächst» der neue Bohrkern in die Mitte der Bohrkrone hinein. Ist
der Gesteinskern lang genug, wird die Bohrung angehalten. Mit einer Vorrichtung wird der Bohrkern abgerissen und dann an die Oberfläche gezogen. Danach können die Geologen mit ersten Untersuchungen beginnen.

SEISMISCHE MESSUNGEN UND TIEFBOHRUNGEN
In der Schweiz sind breite Kenntnisse zum geologischen Untergrund und zum Opalinuston
vorhanden. Die Nagra hat seit der 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts in Zusammenarbeit mit Hochschulen und Ingenieurunternehmungen ein grosses Wissen aufbauen können. Bereits ab 1982 hat die Nagra mit seismischen Messungen und ersten Tiefbohrungen die lokale
Geologie in der Nordschweiz erkundet. 2015 bis 2017 sind grossflächige 3-Dseismische
Messungen in Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost dazugekommen. Und nun folgen die Tiefbohrungen zwecks abschliessender Erkundung der Opalinuston-Schicht in den Standortgebieten. Die Tiefbohrungen zeigen an, wie tief und wie die Gesteine im Untergrund
der Standortgebiete aufgebaut sind. Zudem wie mächtig der Opalinuston ist, wie er sich genau zusammensetzt und wie wasserdicht er ist.

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