Digitale Transformation wird heute viel zu schnell mit Building Information Modeling (BIM) gleichgesetzt. Die Transformation geht aber weit darüber hinaus: Es geht um Arbeitsweisen, interne und externe Prozesse, die (Weiter-)Bildung von Mitarbeitern und Büroinhabern bis hin zur Neudefinition des eigenen Geschäftsmodells, dem schon oft proklamierten Kulturwandel.

Die digitale Transformation soll uns helfen, Ausgangslagen präziser zu definieren, Ressourcen optimal einzusetzen und bildet die Grundlage für ein Bauen im Sinne der Kreislaufwirtschaft. BIM ist ein Baustein für das Erreichen dieser Ziele.

Im Fokus steht nicht «der Mensch» im Singular, sondern eine Vielzahl von ihm, die Menschen im Plural, die sich gemeinsam einer Bauaufgabe stellen. In der Schweiz gibt es zahllose Beispiele für herausragende Lösungen von Bauaufgaben im Hoch-, Tief- und Infrastrukturbau. Gründe für deren Erfolg finden sich meist beim gemeinsamen Verständnis von Bauherrn, Planern und Unternehmern und einem gemeinschaftlichen Ziel: dem Wunsch, in Kooperation ein Bauwerk zu errichten, das alle Anforderungen erfüllt, sinnvoll mit den Ressourcen umgeht und im besten Fall einen positiven Beitrag für seine Umgebung liefert. Eine gelungene Zusammenarbeit nur mit analogen Hilfsmitteln ist möglich, die Vergangenheit zeigt dies. Für die Meisterung der Herausforderungen der Zukunft im Bereich der Ressourcenknappheit, des Klimawandels und der angestrebten CO2-Neutralität ist die Anwendung von digitalen Hilfsmitteln und die Erfassung und Verarbeitung von Daten unabdingbar.

Das gemeinsame Ziel
Unter dieser Voraussetzung, einer kooperativen Herangehensweise an eine Bauaufgabe, kann die digitale Transformation ihre Stärken ausspielen und mithilfe von Technologie sowie neuen Partnerschafts-und Prozessmodellen helfen, das Ziel zu erreichen. Die Bauaufgaben mit den verbundenen Prozessen sind individuell, daher ist eine gemeinsame Sprache von unschätzbarem Wert. Durchgängige Begriffe, Rollen und damit Regeln sind vorteilhaft für alle und helfen, Missverständnisse von vorneherein auszuschliessen – vor allem, da sich die meisten Beteiligten in mehreren Projekten gleichzeitig befinden. Daher sollten die Definitionen von Schnittstellen und Verantwortungen sowie Vertrags- und Nachtragsmanagement, die bereits einen grossen Effort bedeuten, nicht durch eigene Interpretationen erschwert werden, da sich dadurch das Risiko für zusätzliche Fehlerquellen erhöhen würde.

Ein Führungsthema
Viele Verbände und Interessensgruppen sind in diesem Thema engagiert und verfolgen damit auch unterschiedliche Geschäftsmodelle und Interessen. Hier müsste mehr Wert auf ein abgestimmtes Vorgehen gelegt werden. Vergleichbar mit den Baugesetzen auf kantonaler Ebene müssen die Verbände ein grosses Interesse an den Tag legen, damit einheitlich Standards und Definitionen gelten. Dies darf nicht nur einzelnen grossen Playern auf dem Markt überlassen werden. Kleine Büros, die besonders im Architekturbereich Leistungen anbieten, sind aufgrund ihrer Grösse nicht in der Lage, eigene Definitionen und Prozesse zu entwickeln. Hier müssen die Verbände ihre Rolle als Interessenvertretung nachkommen und Hilfestellungen bieten. Kleine Unternehmen haben durch ihre hohe Agilität einen unglaublichen Vorteil und können über Nacht entscheiden, ob sie eine neue Software einführen, neue Prozesse definieren oder eben BIM anwenden. Entscheidend ist jedoch eine klare Vorgabe der Geschäfts- und Projektleitung, digitale Transformation bleibt ein Führungsthema. Wer den Weg beschreiten möchte, ist auf den Willen zur Veränderung und Weiterentwicklung seiner Mitarbeiter angewiesen.

Klares Regelwerk
Dies betrifft den Schweizerischen Ingenieur-und Architektenverein (SIA) ebenfalls, alle Normen entstehen aus dem gemeinsamen Erarbeiten mit Vertretern der Praxis und bilden die tagtäglichen Arbeitsprozesse ab. Der theoretisch formulierte Fall kann nie eins zu eins auf das eigene Projekt übertragen werden. Detaillierte Kenntnisse über das Regelwerk sind notwendig, um die optimale Adaption dieser auf das eigene Bauvorhaben zu ermöglichen. Damit es bei dieser geplanten «Abweichung» bleibt und um tragfähige Entscheide treffen zu können, muss das Wissen bei allen Schlüsselpersonen – auf der Planer- sowie der Auftraggeberseite – auf dem gleichen Level sein.

Wie bei den oben erwähnten kantonalen Baugesetzen ist für Definitionen von Schnittstellen und Rollen eine Harmonisierung notwendig. Der SIA bietet durch die Vereinigung aller relevanten Planerdisziplinen eine gute Ausgangslage. Zwei entscheidende Rollen fehlen auf den ersten Blick: die Bauherren und die der Unternehmer. Die paritätische Zusammensetzung der einzelnen Kommissionen wirkt dem bedingt entgegen, durch die notwendige Konsensfindung entstehen aber auch Hürden.

Ein Grossteil der an den SIA und seinen Rechtsdienst herangetragenen Probleme entsteht aus einer mangelnden Kenntnis, dass entsprechende Regeln vorhanden sind oder aufgrund eigener Abwandlungen eine Rechtsunsicherheit geschaffen wird. Wie der Rechtsdienst auf Anfrage bestätigt hat, unterstützt die steigende Anzahl an Gutachten und Schlichtungen diese Behauptung.

Kooperative Verfahren, die Zusammenarbeit unter den verschiedenen Disziplinen und der frühe Einbezug von Unternehmen werden von allen Beteiligten als essenziell betrachtet.

Zentrale Rolle des Informationsmanagements
Zusammen mit einer möglichen Phasenverschiebung durch BIM entstehen komplexe Verträge mit einem grossen Informationsgehalt, die von vielen nur schwer nachvollzogen werden können: Erstens muss der SIA darauf achten, dass sein Normen- und Ordnungswerk allen bekannt ist, aber zweitens auch die Anwendung dessen möglichst einfach und im Planungsverlauf integrierbar bleibt. Die Lesbarkeit (im digitalen Sinn) der einzelnen SIA-Produkte kann erhöht und mit weiteren relevanten Informationen (zum Beispiel aus dem Beschaffungswesen) verknüpft werden. Informationsmanagement ist gerade auch in der Bauindustrie entscheidend. Einiges wird in Zukunft durch die «Maschine» erfüllt werden können, wobei sich einmal mehr die Notwendigkeit einer Harmonisierung zeigt. Neben der Harmonisierung der Vorgaben und der Entwicklung von neuen Prozess- und Kooperationsmodellen nimmt die Aus-und Weiterbildung eine entscheidende Rolle ein.

Wie eingangs erwähnt, ist BIM nicht mit digitaler Transformation gleichzusetzen und lässt sich nicht ausschliesslich auf die dreidimensionale Planung eines Bauwerks reduzieren. Eine BIM-fähige Software wird von vielen Studenten bereits angewendet, jedoch ohne das Potenzial der Verknüpfung mit den weiteren Disziplinen und dem Verständnis für den richtigen Einsatz im Planungs- sowie Bauprozess auszuschöpfen. Die Arbeitsweise als inter- und multidisziplinärer Prozess muss verstanden werden. Somit ist BIM eindeutig mehr eine Frage der Kollaboration als der Technik. Sicherlich würden hierfür lehrstuhl- und departmentübergreifende Studienarbeiten die gewünschte Zusammenarbeit vorantreiben und das notwendige, gemeinsame Verständnis rund um eine Bauaufgabe aufzeigen – eine Lehrmethode, die jedoch gleichzeitig mit viel Aufwand verbunden ist.

Die Lehre kann – und muss auch nicht – mit der technischen Entwicklung Schritt halten. Die Grundlage im mathematisch-technischen Bereich und die Notwendigkeit eines gemeinsamen Handelns und eines generellen Ansatzes kann sie allerdings liefern. Die Spezialisierung erfolgt nach ersten Praxiserfahrungen. Zahlreiche Master-, CAS und MAS-Programme an den Universitäten und Fachhochschulen stehen zur Auswahl, wie zum Beispiel der Master in Integrated Building Systems der ETH Zürich (www.master- uildingsystems.ethz.ch), Certificate of Advanced Studies ARC in Digitalisierung (kompetenz.arch.ethz.ch/ kurs/cas-eth-arc-digitalisierung) oder der Master of Science in Engineering der HSLU (www.hslu.ch/de-ch/technik-architektur/ studium/master/engineering). Die Herausforderung liegt beim generellen Fachkräftemangel und der Lohn- und Hierarchiestruktur der Bauindustrie verglichen mit anderen Berufsfeldern.

www.sia.ch