Weiterbildung ist ein Prozess, der über die gesamte Lebensphasen reicht.

BIM ist ein Trendthema, und es werden umfassende Ansprüche transportiert. Das Thema setzt vertiefte Grundkenntnisse bezüglich Prozessen und digitalen Möglichkeiten voraus. Hier gibt es bei der Vermittlung von Wissensprozessen noch viel Luft nach oben. Der folgende Beitrag thematisiert aus unterschiedlichen Blickwinkeln die Herausforderungen.

Bei einem Hype sollte man sich zunächst nüchtern auf die grundlegenden sachlichen Tatsachen konzentrieren und die Frage stellen, ob wir wirklich in einer grundsätzlich neuen Welt leben. Sonst droht die Gefahr, in der Hype- Kurve ganz schnell nach oben katapultiert
und dann aber sehr unsanft wieder nach unten befördert zu werden. Im Prinzip geht es ganz einfach darum, die Resultate der eigenen Arbeitsschritte digital strukturiert zu verwalten, sodass sie im Rahmen des nächsten Prozessschrittes auch maschinell weiterverarbeitet werden können.

DAS NEUE UND SEINE VERGANGENHEIT
Bevor es in diesem Beitrag um die praktischen Herausforderungen geht, sollte es hier um die Beantwortung grundsätzlicher Fragen gehen. Wie definiert sich das Neue? Hier hilft ein Blick über den Tellerrand. Die Vorgehensweise zur Vervielfältigung von DNS-Sequenzen, für die Kary
Mullis 1993 den Nobelpreis in Chemie erhalten hat, baut auf neuen Kombinationen von bekannten biochemischen Methoden auf. In der Ökonomie gibt es verschiedene Auffassungen, wie Innovation entsteht. Eine besteht darin, etwas Bestehendes neu zu kombinieren. Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Paul Romer verteidige diese Auffassung vehement, schreiben Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee in ihrem Buch «The Second Machine Age» (2014). Paul Romer hat 2018 den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für
Wirtschaftswissenschaften erhalten. Die Begründung lautet: «Romer’s research shows how the accumulation of ideas sustains long-term economic growth.» Ich möchte hier anknüpfen, obwohl man mir immer wieder weiszumachen versucht, dass die Digitalisierung etwas komplett Neues sei. Dass man entweder zur analogen oder zur digitalen Fraktion gehöre.
Solche Schwarz-Weiss-Bilder passen nicht zu den Realitäten, in denen ich mich bewege (siehe «Zwei getrennte Welten?» in bauRUNDSCHAU 2 / 2018). Seit ich mich mit Paul Romers Werk auseinandersetze, desto klarer ist mir, dass die Digitalisierung prinzipiell nichts Neues ist, sondern die konsequente Integration von Daten, Algorithmen und Kommunikationsmitteln in
unsere modernen Arbeitsumfelder. Im Prinzip geht es bei der Digitalisierung darum, die Resultate der eigenen Arbeitsschritte digital strukturiert in einem gemeinsamen Netzwerk zu verwalten, sodass sie beim nächsten Prozessschritt, sofern es dieser zulässt, maschinell weiterverarbeitet werden können. Verschiedene Grundlagen sind Jahrzehnte (Quicksort-
Sortierverfahren: 1962), Jahrhunderte (Graphentheorie: 1736) oder gar Jahrtausende
(Prinzip des Algorithmus: circa 830) alt. Jetzt geht es darum, diese zu verstehen und dann passend zu kombinieren. Lange Zeit haben der Zugang zu den Ressourcen, die Kosten, aber auch die technologischen Rahmenbedingungen nur einen erschwerten Einsatz erlaubt.

DIE FRAGE NACH DEM WIE
Die Digitalisierung verlangt vertiefte Kenntnisse bezüglich Prozessen im eigenen Arbeitsumfeld und zu den Möglichkeiten der Informatik. Leider sind diese bei vielen Beteiligten nicht, nur rudimentär oder nur softwarebezogen vorhanden. Und es gibt nur wenige, die wirklich wissen, was hinter der Digitalisierung steckt, um so präzis und einfach neue Kombinationen
zu ermöglichen. Die Digitalisierung sei eine Haltung, nicht eine Technologie, schreibt Franziska von Lewinski, gelernte Bau-Ingenieurin und Board Member der Hamburger Creative Content Group, in ihrem Blog. Jede Person muss sich mit der Digitalisierung befassen und in ihrem
Einflussbereich die entsprechenden Kompetenzen erwerben und anwenden.
Die Frage ist aber wie.

Mit der Einführung der digitalen Instrumente hat eine Verwischung der Arbeitsgrenzen,
nicht nur bei den Planenden, stattgefunden. Es ist heute unklar, welche Kompetenzen ein Zeichner EFZ, ein dipl. Techniker HF (Fachrichtung Bauplanung) oder ein Diplom-Architekt oder Ingenieur konkret benötigen. Ich höre immer wieder, dass Berufsleute mit Studium als
Zeichner oder als Administrativkraft eingesetzt werden, nur weil sie die ICT-Mittel am
besten anwenden können. Das ist nicht sinnvoll. Und muss man sich da wundern, wenn die Löhne nicht stimmen und ein Fachkräftemangel eintritt?

VERÄNDERUNGEN BEI DER AUSBILDUNG
Aus den genannten Gründen geht es auch bei der Ausbildung nicht darum, alles zu ändern. Die neu notwendigen Kompetenzen müssen in der Grund- und Weiterbildung ihren Stellenwert erhalten. Es ist falsch, diese an der ersten Arbeitsstelle erwerben zu lassen oder die Berufseinsteiger gleich in eine erste Weiterbildung zu schicken, damit sie überhaupt berufsbefähigend sind. Mittelfristig gibt es Hoffnung, dass bis zur Berufswahl solides und grundlegendes Digitalisierungs-Knowhow erworben worden ist: Das Konzept der emeritierten Informatik-Professoren Jürg Kohlas, Jürg Schmid und Carl August Zehnder im Buch «informatik@gymnasium, ein Entwurf für die Schweiz», ist zurzeit lokal in der Umsetzung.Schlussendlich baut die Weiterbildung auf der Grundbildung auf, wobei das Sprichwort «Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr» definitiv entsorgt werden muss. Die Grundbildung liefert das Fundament; und denjenigen, die aus welchen Gründen auch immer, diese Grundfertigkeiten nicht besitzen, muss eine Möglichkeit geboten werden, diese später zu erwerben. Die gezielte Weiterbildung hat dafür zu sorgen, dass neue Kompetenzen erworben und diese mit dem bisherigen Wissen verknüpft werden können. Angebote gibt es viele. Angebote sind das eine, die persönlichen Möglichkeiten der Weiterzubildenden das andere: Wie viel Zeit kann investiert werden? Was erlauben der Arbeitgeber, der Arbeitsanfall,
aber auch die familiären Verhältnisse? Für jede einzelne Situation muss ermittelt werden, ob ein länger dauerndes CAS (Certificate of Advanced Studies) oder MAS (Master of Advanced Studies) oder eine Serie von Tageskursen das aktuell ideale Mittel ist. Und zu beachten ist: Im
Gegensatz zu anderen Branchen ist eine abgeschlossene Weiterbildung in der Baubranche
leider oft nicht lohnwirksam.

BEWUSSTSEIN AUFBAUEN
Mir ist wichtig, dass die Digitalisierung bewusst erfolgt und nicht einfach alles digitalisiert wird, was möglich ist. Ich denke, dass ein grosser Teil der Angst und des Unbehagens der Digitalisierung gegenüber daher kommt, dass dieses Bewusstsein zurzeit, noch, nicht genügend vorhanden ist. Nicht die Technologie soll bestimmen, was möglich ist, sondern eben die Haltung gegenüber der Digitalisierung. Dazu gehören insbesondere auch Aspekte aus der Baukultur.

Gelingt es, dieses Bewusstsein aufzubauen, dann sehe ich in Zukunft eine aufeinander abgestimmte Prozesskette in den Planungsbüros und auf der Baustelle, wo diejenigen Schritte, welche menschliche Kreativität brauchen durch den Menschen, und diejenigen, die aufgrund einer präzisen Definition durch den Menschen vordefiniert und durch die Maschine optimiert, durchgeführt werden. Das sind oft die unattraktiven, sich wiederholenden
und damit fehleranfälligen Routinearbeiten. Die digitale Revolution, nicht nur in der Baubranche, passiert nicht spontan und ist auch kein natürlicher Prozess. Nein, sie ist sehr arbeitsintensiv und es braucht diverse Definitionen für ihre Realisierung. Da sind alle Praktiker aufgerufen mitzumachen, auch wenn sie meinen, von der Digitalisierung wenig zu verstehen. Wichtig ist es, die Prozesse und die Arbeitsschritte an passenden Modellen als Referenzsystem realitätsgerecht zu definieren und zu optimieren. Nur damit können digitalen Methoden speditiv angewendet werden.

AUSBILDUNGSPERSONEN UND -ORTE
Insbesondere bei den Ingenieuren kommt nach und nach die Meinung auf, dass grundlegende Kenntnisse, zum Beispiel zum Datenmanagement bei den Berufsleuten, also auch beim Zeichner EFZ, in die Lehre einfliessen müssen. Dazu hat im Herbst 2018 eine Veranstaltung in Zusammenarbeit von engagierten Personen in der Berufsbildung, der ETH und SIA-Form
stattgefunden. Für die Wissensvermittlung werden passende Lehrpersonen benötigt.
Diese fehlen heute weitgehend. Vermutlich müssen vermehrt Lehrmeister oder andere
geeignete Personen einspringen und eine Bei BIM ist nicht nur die neue Technologie, sondern in erster Linie die Haltung dazu entscheidend. Wissensvermittlung aus der Praxis für die Praxis ermöglichen. Trotzdem muss die solide Grundbildung für später sichergestellt sein. «Weiterbildung: Die Beschäftigten sind den digitalen Anforderungen der Arbeitswelt gewachsen» heisst es im «Aktionsplan im Bereich Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2019 – 2020» des SBFI. Dieser muss nun umgesetzt werden.

ERSTES ZWISCHENFAZIT
Ohne Frage gibt es in der Bildung einige Handlungsfelder, die von den Verantwortlichen zu bearbeiten sind. Paul Romers Theorie mit der «Accumulation of ideas» zeigt Wege zur Lösung auf: Es geht kontinuierlich weiter, alles baut aufeinander auf und stellt eine Weiterentwicklung mit den aktuell anwendbaren Wissenselementen dar.

Quellen:
Jürg Kohlas, Jürg Schmid und Carl August Zehnder:
informatik@gymnasium, ein Entwurf für die Schweiz, Verlag
NZZ, Zürich 2013; Andrew McAfee, Erik Brynjolfsson:
The Second Machine Age, Wie die nächste digitale Revolution
unser aller Leben verändern wird, Börsenmedien, Kulmbach,
2014; Paul Romer im Interview mit der Zeit (www.zeit.de/2018/
44/paul-romer-oekonomie-nobelpreistraeger-forschungwirtschaftswachstum);
Ankündigung Nobelpreis am 8.10.2018
mit Pressekonferenz in Stockholm (www.youtube.com/
watch?v=MVr2uWMjoPk); Pauls Romers Nobelprize Eintrag
mit Price Lecture (www.nobelprize.org/prizes/economic-sciences/
2018/romer/facts/ ); Blog von Franziska von Lewinski:
www.linkedin.com/pulse/digitalisierung-ist-eine-frage-derhaltung-
und-nicht-von-lewinski; Herausforderungen der Digitalisierung
für Bildung und Forschung in der Schweiz, SBFI,
Bern 2017, https://www.sbfi.admin.ch/dam/sbfi/de/dokumente/
2017/06/bericht-digitalisierung.pdf.download.pdf/bericht_
digitalisierung_d.pdf; Punktuelle Ergänzungen aus
Archiv Urs Wiederkehr, Diverse Ergänzungen und Überprüfungen
über Wikipedia.org und Gabler Wirtschaftslexikon
www.wirtschaftslexikon.gabler.de

www.sia.ch