Das Leben soll bequemer, sicherer und energieeffizienter gestaltet werden. Im Zentrum steht dabei immer der Mensch mit seinen Wünschen und Bedürfnissen – gerade wenn wir älter werden. Ist das ein Wunschtraum, oder bringen uns digitale Technologien dem praktischen Smart Home, welches nicht nur für IT-Freaks konzipiert ist, wirklich weiter? An der Swissbau unterhielten wir uns darüber mit dem digitalSTROM-CEO Martin Vesper.

Die Eisenbahn war der technologische Meilenstein des 19. Jahrhunderts, das Auto und das Flugzeug prägten das 20. Jahrhundert. Sind es die digitalen Kanäle, die uns im 21. Jahrhundert prägen? Liegen hier die zentralen Herausforderungen?
Eine digitale Infrastruktur ist ohne Frage Grundlage für viele Entwicklungen, die wir vor uns haben. Das gilt für Infrastruktur zwischen unterschiedlichen Orten, das gilt aber genauso im Haus. Mittlerweile kann die Elektroinstallation von einer analogen in eine digitale Welt transferiert werden und Anbieter wie digitalSTROM sorgen ­inzwischen für eine Breitbandinfrastruktur im Gebäude und der Wohnung. Wenn diese digitale Infrastruktur und die Vernetzung vorhanden sind, haben die Bewohner die Flexibilität, die Anwendungen so zu ­gestalten, wie sie diese brauchen. Die technische Entwicklung lässt sich dabei adaptieren, was bei verschiedenen zentralen Fragestellungen von Bedeutung ist. Nehmen Sie nur die Energiewende oder den demografischen Wandel.

Was gehört zum digital vernetzten Haus von der Hard- und Software-Seite dazu, wenn wir Ihre Lösungen jetzt ins Spiel bringen?
Wir vernetzen elektrische- und Breitbandgeräte im Haus über die bestehenden Stromleitungen und benötigen aus diesem Grund keine Neuverkabelung. Unsere kleinen intelligenten Lüsterklemmen können hinter Schaltern und Steckdosen inte­griert werden. Sie sind in der Lage, Strom zu schalten, zu messen und zu dimmen. Grundlage sind ein Minirechner und Datenspeicher auf dem Hochvolt-Chip der Klemmen. Auf Basis der Breitbandinfrastruktur können alle Geräte mit offener IP-Schnittstelle, wie beispielsweise Fernseher, integriert und bedient werden. Mit diesen Bestandteilen ist das Haus grundsätzlich digital aufgestellt. Hinzu kommen Anwendungen, die je nach Bedarf integriert werden können. Das reicht von Transparenz beim Energieverbrauch, geht über die Komfortsprachsteuerung bis zur Erkennung von Kontext für optische Lösungen.

Das ist eine neue qualitative Vernetzung auf einer schon bisher genutzten Grundlage?
Die vorhandenen Leitungen werden weitergenutzt, sodass der Installationsaufwand garantiert gering bleibt – und keine Spuren hinterlässt. Das System ist schnell installiert und sofort betriebsbereit. Sie können also gleich loslegen, Ihre Beleuchtung und Rollläden steuern, Ihr Gute-Abend-Szenario einstellen und Ihren Stromverbrauch kon­trollieren – und, und, und …

Jetzt gibt es viele Stimmen, die kritisch einwenden, das seien technologische Spielereien, die an vielen Zielgruppen vorbeigehen. Bin ich nicht schon jetzt von Big Data überfordert? Muss ich ­unbedingt wissen, ob mein Kühlschrank drei, oder fünf Grad hat?
Die Kritiker widersprechen sich selbst. Sie sind ja selbst schon dabei, wenn auch oft unbewusst. Es ist immer die Frage: Wie stelle ich mir ein Smart Home vor?

Viele sind in der Vorstellungswelt verhaftet, dass sie alles mit einem Smartphone ­bedienen und dann die Informationen für sich zur Verfügung haben. Das ist aber nicht der Fall. Ich nenne Ihnen ein Beispiel …

Ich bitte darum …
Früher haben Sie einen Benzinmotor gestar­tet, in dem Sie einen Choke gezogen, mit dem Gaspedal gespielt und dann den Zündschlüssel gedreht haben, damit der Anlasser startet. Heute drücken Sie auf eine Taste und der Motor startet. Das funktioniert mit einer guten Qualität, da eine völlig andere Technologie dahintersteht als die vor drei Jahrzehnten. Ist der Kunde jetzt von dieser neuen Technologie, die ohne Frage sehr komplex ist, überfordert? Nein, er drückt nur einen Knopf. Es geht auch bei uns um eine Reduktion an Information für den Kunden. Gleichzeitig wird die Kom­plexität der Automation erhöht. Davon ­bekommt der Kunde im Alltag aber nichts mit. Er fühlt sich weniger belastet.

Was macht die Küche für Sie so besonders interessant?
Die Küche ist der Raum im Haus, in dem viel gearbeitet wird und wo häufig viele ­Arbeitsschritte und Geräte gleichzeitig durchgeführt und bedient werden müssen. Deshalb ist dies auch der Ort, wo eine Vernet­zung der verschiedenen Geräte ­besonders sinnvoll ist. Wir zeigen, wie man zukünftig durch freies Sprechen im Raum gesamte Abläufe steuern kann und wie die Küche durch Videoerkennung ­versteht, welcher Arbeitsschritt gerade erledigt werden soll.

Können Sie da noch etwas konkreter werden?
Über Drag & Drop kann nun ein YouTube-Kochvideo an den unsichtbaren digitalSTROM-Butler «James» gezogen werden. Dies sorgt dafür, dass sich der Herd automatisch so voreinstellt, wie es die Zubereitung des Rezepts erfordert. Mit den komplizierten Funktionseinstellungen brauchen sich die Nutzer nicht zu beschäftigen. Früher war das Wissen über Backzeit und -temperatur erforderlich. In Zukunft reguliert es das System selber. Darum geht es in einem komplett vernetzten Haus. Technik-Experten möchten oftmals kleinste Schritte im vernetzten Zuhause mit dem Smartphone steuern. Unsere Philosophie geht jedoch in eine andere Richtung: Wenige Handgriffe und Tasten-­Klicks sollen dem Kunden seinen Alltag erleichtern, im Hintergrund kümmert sich digitalSTROM um den Rest. Bei uns ­stehen nicht einzelne Gadgets, sondern die intelligente Vernetzung im Vordergrund.

Aber diese Welt, die bei mir immer mehr Daten misst, verarbeitet und dann ­vermutlich auch anderen Akteuren zur Verfügung stellt, nimmt doch zu. Nehmen Sie nur das Beispiel der Fitnessarmbänder. Auf den ersten Blick ist das toll. Ich kann meine Gesundheit oder genauer mein Übergewicht in den Griff bekommen. Auf den zweiten Blick überfordern mich die Datenmengen. Ich muss doch nicht im Detail wissen, was alles in meinem Kühlschrank ist?
Bei uns kann man dem Kühlschrank ganz nebenbei via Sprachsteuerung sagen, dass er etwas auf die Einkaufsliste setzen soll. Nutzer müssen nicht Zettel und Stift suchen. Oftmals hat man die erste Version des ­Zettels schon verloren, bevor er vollständig ist. Digitalisierung erlaubt zunächst beide Szenarien, sowohl die Überforderung des Kunden als auch die Vereinfachung seiner Lebenswelten.

Kommen wir noch zum Thema des Alterns der Gesellschaft. Überall sehe ich atmosphärisch und technisch spannende Bäder und Küchen. Das Thema des altersgerechten Wohnens findet aber nur in einer Nische statt. Der ­Begriff klingt ja auch schauerlich. Aus meiner Sicht verschlafen sowohl Kunden als auch Anbieter einen Trend. Wie sehen Sie die Situation?
Lassen Sie uns hier gleich in die Praxis springen. Auf der Swissbau zeigen wir eine Küche, die gut aussieht, aber, und das ist der erste Unterschied zu herkömmlichen Küchen, einige Möbel sind in der Höhe verstellbar. Über Sprache oder ein Tablet können Veränderungen herbeigeführt werden. Ein möglicher Sprachbefehl kann lauten: «Alexa, bereite die Küche für das Frühstück vor!» Jetzt tritt zum Beispiel der Teekocher in Aktion. Das eröffnet Kunden im Alter spannende Lösungen. Wobei wir eher von Komfort als vom Alter sprechen. Für die Technologie ist es  ­unerheblich, ob wir sie nutzen, weil wir gerade keine Hand frei haben, um das Wasser zum Salatwaschen aufzudrehen, oder ob ein Bewohner im Rollstuhl sitzt und die Tätigkeit deshalb nicht mehr ­ausführen kann. Es geht viel mehr darum, uns im Alltag Arbeit abzunehmen oder zu erleichtern. Die Digitalisierung erlaubt die Adaption der Normalität in eine Spezialsituation hinein. Das funktioniert in Küche und Bad. Die Gründe, ob es dabei um Komfort, Sicherheit oder Effizienz geht, spielen da keine Rolle.

Können sich solche Lösungen auch Frau oder Herr Durchschnitt-Schweizer leisten?
Solche Küchen sind, wenn Sie in einen Massenmarkt kommen, zwischen zehn und 15 Prozent teurer als vergleichbare herkömmliche Küchen. Sie halten dann aber auch länger als Gadgets, die nach zwei Jahren veraltet sind. Das ist gestaltbar. Wer heute in seinem Haus alt werden will, muss teure Handwerker bezahlen, da Küche und Bad irgendwann komplett umgebaut werden müssen. Bei einer digitalen Lösung müssen Sie nur einen Bruchteil davon ausgeben. Die Funktionalität kann besser und preisgünstiger realisiert werden.

Wie kommen Technik und Preis zusammen?
Die heutige Massenmarktfähigkeit hängt nicht in erster Linie vom Preis, sondern von der Beherrschbarkeit ab. Daher setzen wir auf die Stromleitung. Wenn Sie ein Gerät in die Steckdose einstecken, ist es sofort Teil des digitalSTROM-Systems. Für die Verknüpfung ist kein zusätzlicher technischer Aufwand nötig. Ich komme zu meiner Hauptthese zurück: Das Leben wird bequemer.

Weitere Informationen:
www.digitalstrom.ch