Das Düngen in der Landwirtschaft hat in den Gewässern in der Geschichte schon einige schleichende Katastrophen ausgelöst. Phosphate aus Düngern können in Seen Massensterben auslösen. In den letzten Jahrzehnten gab es hier allerdings einige beeindruckende Erfolge. Die Gewässer sind wieder sauberer geworden. Für einige Akteure sind sie inzwischen zu sauber. Das ist aus unterschiedlichen Gründen ein Trugbild.

In regelmässigen Abständen tauchen Meldungen in den Medien auf, die eine ­angebliche Fischarmut in den Schweizer Seen thematisieren. Sie sei darauf zurückzuführen, dass die Seen zu sauber sind. So fordern beispielsweise auch Berufs­fischer, die Elimination von Phosphor durch die Kläranlagen zu drosseln, damit der Gehalt an Phosphor in den Seen wieder steigt. So fänden die Fische wieder mehr Futter, würden stärker wachsen und zahlreicher werden. Hier gilt es, Widerspruch einzulegen.

Aufgrund der wachstumsfördernden Wirkung auf Pflanzen kann ein erhöhter Phosphorgehalt zur sogenannten Eutrophierung von Gewässern führen. Ebenso wie bei ­erhöhten Nitratgehalten führt dann ein durch übermässiges Pflanzenwachstum hervorgerufener Fäulnisprozess zu einer Sauerstoffverarmung im Gewässer. Die Folge sind ein «Umkippen» des Gewässers und das Ausbilden eines lebensfeindlichen ­Milieus. Ein erhöhter Phosphatgehalt im Trinkwasser ist weiterhin neben Ammonium und Nitrit, oder aktuell die Pharma­verun­reinigungen, ein wichtiger Hinweis auf die mögliche Verschmutzung des Wassers.

Gleichzeitig ist die Phosphorelimination aus dem häuslichen Abwasser durch die Kläranlagen eine Erfolgsgeschichte. Die Schweizer Bevölkerung investierte rund 100 Milliarden Franken in Siedlungsent­wässerung und Abwasserreinigung zugunsten des Gewässerschutzes. Viele Seen sind bezüglich Nährstoffgehalt und Algenproduktion wieder auf einem vergleichbaren oder gar besseren Stand als 1950. Allerdings heisst das nicht, die Hände in den Schoss zu legen. Gefährdungen gibt es weiterhin.

Der Phosphorgehalt der Schweizer Seen
Der Gehalt an Phosphor (P) liegt aktuell zum Beispiel im Bodensee im Jahresmittel bei 6 bis 7 mg P/m³. Das entspricht im Falle des Bodensees ziemlich genau dem Gehalt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und liegt nahe am natürlichen Zustand, der bei 3 bis 4 mg P/m³ liegen dürfte. Bei anderen grossen voralpinen Seen ist der Trend ­ähnlich. Je nach See kann der natürliche Gehalt jedoch ein anderer sein. Unter ande­rem ist der Phosphorgehalt bei gewissen Mittellandseen aufgrund der intensiven Landwirtschaft auch heute noch zu hoch, sodass einige bis heute belüftet werden. Zudem lassen der steigende Siedlungsdruck im Mittelland sowie die Werterhaltung von Kläranlagen die heutige Eliminationsleistung von Abwasserreinigungsanlagen (ARA) zur Herausforderung werden.

Biodiversität bei Fischen und Pflanzen
Klar ist, dass ein enger Zusammenhang zwischen dem Phosphorgehalt eines Sees und der Artenzusammensetzung und –vielfalt, aber auch der Biomasse in einem See ­besteht. Die Zusammenhänge sind aber komplex und nicht immer intuitiv klar. Eine leichte Erhöhung des Phosphorgehalts, wie sie der Berufsfischerverband fordert, hat nicht zwingend die erhoffte Wirkung von grösserem Ertrag, kann aber einen kritischen Einfluss auf das ganze Ökosystem See haben.

Forscher der Eawag haben festgestellt, dass eine höhere Phosphorkonzentration – also eine höhere Eutrophierung zu einem höheren Artenverlust beispielsweise bei Felchen führt. Doch die Biodiversität kann in eutrophen Seen, also solchen mit hohem Nährstoffgehalt, durch einwandernde Arten sogar höher sein als anderswo. Man verliert aber Arten, die nur an einem Ort vorkommen (endemische), sowie einheimische und zum Teil spezifische Arten. In den meisten Fällen ist die Artenvielfalt in Seen mit tiefem Nährstoffgehalt grösser.

Fischbestände in Schweizer Seen
Eine Studie der Eawag zeigt, dass die ­gesamte Biomasse pro Volumeneinheit in grossen nährstoffarmen Seen wie etwa dem Walensee im Schnitt höher ist als in nährstoffreichen Seen wie dem Zugersee. Wieso fangen dann die Berufsfischer weniger? Es scheint, dass in nährstoffarmen Seen ein grösserer Teil der Fische sich in grösseren Tiefen aufhält, wo es schwierig ist, effizient zu fischen. Ausserdem deuten die Ergebnisse von kleineren Seen darauf hin, dass die gefangenen Felchen in nährstoffärmeren kleinen Seen im Schnitt kleiner sein könnten als in nährstoffreichen. Ob dieses tatsächlich auf die Nährstoffe zurückzuführen ist und warum dieser Trend in grossen Seen nicht ersichtlich ist, wird zurzeit noch untersucht.

Mehr Phosphor heisst nicht mehr Naturschutz
Wenn Berufsfischer einen höheren Phosphorgehalt fordern und sich dabei auf den Naturschutz berufen, ist dies nicht nachvollziehbar. Einheimische Fische haben sich in der Evolutionsgeschichte unter tieferen Phosphorgehalten als heute entwickelt. Der heutige Nährstoffgehalt kann für diese einheimischen Fische also nicht bedrohlich sein. Es gibt zudem keine wissenschaft­lichen Hinweise dafür, dass in den grossen und tiefen Voralpenrandseen einheimische Fischarten durch zu wenige Nährstoffe ­bedroht werden. Im Gegensatz dazu stellt eine unnatürlich hohe Produktivität von Flora und Fauna aufgrund eines erhöhten Phosphorgehalts jedoch ein Risiko für ­bedrohte Arten dar, die weltweit nur in ­bestimmten Seen vorkommen.

Der Mensch beeinflusst die Seen weiterhin. Im Einzugsgebiet des Bodensees beispielsweise gelangen auch heute noch jährlich 80 Tonnen Phosphor mit dem gereinigten Abwasser aus den Kläranlagen in die Fliessgewässer und in den See. Durch landwirtschaftliche Nutzungen im gesamten Einzugsgebiet und natürliche diffuse Einträge kommen weitere Einträge in einer mindestens ähnlichen Grössenordnung hinzu.

Klimawandel und Phosphatmanagement
In Anbetracht des durch den Menschen verursachten Klimawandels wäre eine Rückkehr zu höheren Phosphorkonzentrationen in Seen äusserst kritisch. Hauptgrund: Es müsste mit erhöhtem Sauerstoffmangel im tiefen Wasser (Sedimentnähe) und somit schlechteren Lebensbedingungen für ­Organismen gerechnet werden.

Viele Schweizer Seen weisen eine saisonale Dichteschichtung auf. Während der geschichteten Phase – typischerweise im Sommer und im Winter – ist der Stoffaustausch, insbesondere von Sauer­stoff, ­zwischen der Oberfläche und dem Tiefenwasser eingeschränkt. Für eine ausreichende Versorgung des Tiefenwassers mit Sauerstoff sind darum Zirku­lationsereignisse entscheidend. Solche Ereignisse finden statt, wenn sich das Oberflächenwasser im Herbst abkühlt beziehungsweise im Frühling erwärmt, bis im ganzen See die gleiche Temperatur herrscht und sich die Dichteschichtung auflöst.

Der im Tiefenwasser vorhandene Sauerstoff wird beim Abbau von organischem Material (zum Beispiel abgestorbene Algen) verbraucht, was im geschichteten See zu sauerstofffreien Zonen führen kann. In sauerstofffreien Zonen können weder Fische noch deren Laich überleben. Der Bedarf an Sauerstoff für den Abbau von organischem Material wird im Wesentlichen durch die seeinterne Algenproduktion beeinflusst, die ihrerseits vom Phosphorgehalt abhängt. Zusammengefasst führt mehr Phosphor zu mehr Algen an der Oberfläche und weniger Sauerstoff im Tiefenwasser.

Wenn nun die Oberflächentemperaturen aufgrund des Klimawandels steigen, verstärkt sich die Dichteschichtung im Sommer. Folglich mischen die Seen weniger oft oder in weniger tiefe Schichten. Steigt der Sauerstoffbedarf dann zusätzlich, weil aufgrund eines höheren Phosphorgehalts mehr organisches Material abgebaut wird, kann dies zu erhöhtem Sauerstoffmangel und eingeschränkten Lebensräumen führen. Dabei sind viele der endemischen Fischarten der Schweizer Seen gerade auf die Tiefwasserzonen der Seen als Lebensraum und Brutstätte angewiesen.

Ein Forschungsprojekt am Bodensee zum Klimawandel (KlimBo) kam zum Schluss, dass es aus Sicht des Gewässerschutzes die völlig falsche Strategie wäre, den Phosphorgehalt zum jetzigen Zeitpunkt zu erhöhen. Das Beispiel des Bodensees zeigt eindrücklich, dass dank des tiefen Phosphorgehalts der Sauerstoff über Grund trotzdem ausreichend ist und der See fit ist für die Zukunft.

Phosphormanagement ist keine Lösung
Eine aktive oder passive künstliche Erhöhung des Phosphorgehalts eines natürlichen Sees gefährdet sowohl das natürliche Ökosystem als auch das Gleichgewicht der Nutzerinteressen und ist daher mit dem Ziel des Gewässerschutzes unvereinbar. Die Idee eines Phosphormanagements ist nicht neu. Sie wurde 2013 bereits im Fall des ­Brienzersees vom Berner Kantonsparlament und von den eidgenössischen Räten geprüft und verworfen. Seither sind keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse aufgetaucht, die für ein Phosphormanagement sprechen.

Der Verband Schweizer Abwasser- und ­Gewässerschutzfachleute VSA lehnt die Forderungen der Berufsfischer entschieden ab. Die Gewässer erfüllen zahlreiche ­Ansprüche von Mensch und Natur, sind Trinkwasserreservoir, dienen Erholung und Tourismus, dem Erhalt und der Förderung der Biodiversität sowie der Fischerei. Die Schweizer Seen sind aber keine landwirtschaftliche Produktionsfläche; es kann nicht das Ziel sein, sie wie Fischzuchten zu managen. Denn die Fischerei ist bloss eine Nutzung unter vielen. Die Aussage, dass die Schweizer Seen als ganze Ökosysteme zu sauber seien oder gar hungern würden, ist falsch.

Weitere Informationen:
www.eawag.ch
www.vsa.ch