Die Volatilität der Kapitalmärkte, niedrige Zinsen und die Alterung der Gesellschaft sind gleich mehrere Herausforderungen für die Verantwortlichen von Pensionskassen. Wie geht die Pensionskasse der Technischen Verbände (PTV) damit um, und was bietet sie für konkrete Lösungen an? Mit der Geschäftsführerin Gertrud Stoller-Laternser führten wir folgendes Interview.

Können Sie als Verantwortungsträgerin einer Pensionskasse noch ruhig schlafen?
Das kann ich mit einem klaren Ja beantworten.

Das ist eindeutig. Trotz Zinsen, die in negative Bereiche kippen, trotz der demografischen Kurve, bei der wir als Gesellschaft immer älter werden. Ich könnte noch andere Punkte anführen. Aus welcher Quelle speist sich Ihr Optimismus?
Die Frage, die Sie mir gestellt haben, stelle ich auch unseren Stiftungsräten. Sie antworten ebenfalls mit Ja. Zudem bin ich seit 30 Jahren in diesem Geschäft und habe viele Herausforderungen und Krisen erlebt. Das Pensionskassengeschäft hat eine sehr lange Zeitachse. Unsere Kasse gibt es seit 55 Jahren. Alle Vorsorgeeinrichtungen sind, da liegen Sie richtig, in einer schwierigen Situation, was die Kapitalmärkte betrifft. In dieser Form hat man solch eine Entwicklung in der Schweiz noch nicht erlebt. Wir müssen schauen, dass wir mit dem Geld, welches wir investieren, nahe an der Philosophie unserer Anlagestrategie bleiben. Hier haben wir eine Verpflichtung als Kasse gegenüber unseren Kunden. Wir fragen uns immer wieder, welche Anlagen im Sinne der Risikofähigkeit der PTV zu uns passen. Das ist zunächst eine sehr nüchterne und technische Sichtweise, beim Stiftungsrat kommt dann noch die persönliche Risikobereitschaft dazu.

Werden solche Vorsätze nicht in der Praxis vom Tisch gefegt, da man in der heutigen Situation beim Thema Anlage immer weiter in Richtung Risiko gehen muss?
Ja das ist eine tägliche Frage. Wobei wir beim Thema Risiko sehr vorsichtig agieren. Wir sind die Pensionskasse der Architektinnen / Architekten und der Ingenieure. Das grösste Gut ist die Sicherheit des Vorsorgevermögens. Das hat bei uns Priorität.

Es gibt aber Pensionskassen, die höhere Risiken eingehen?
Das kann man seriös nur machen, wenn man andere Voraussetzungen hat. Stellen Sie sich vor, Sie sind ein sehr junges Unternehmen mit jungen Angestellten und kaum Rentenverpflichtungen. In solch einem Fall kann die dafür verantwortliche Pensionskasse eine andere Anlagestrategie wählen und auf eine etwas höhere Risikokarte setzen. Ich muss sicher sein, dass ich jeden Monat hundertprozentig die Renten bezahlen kann. Da verbietet sich eine zu aggressive Strategie.

Heisst da die Formel konservativ, aber mit einer vergleichsweise schlechteren Performance?
Nein, wir sind konservativ und erfolgreich. Wenn wir uns einem Vergleich aussetzen, schneiden wir über die letzten Jahren sehr gut ab.

Auf welchen Bezugsrahmen setzen Sie da?
Der Bezug heisst Risiko. Es gibt Kassen, die erzielen eine grössere Rendite mit höherem Risiko. Es geht hier um einen differenzierten Vergleich.

Wer heute auf die Altersvorsorge der Schweiz schaut, ist mit einem polarisierten Bild konfrontiert. Innerhalb der Schweiz trifft man auf drastische Worte wie «Rentenschmelze». Manchmal hat man den Eindruck, es ist fast von einem «failed State» die Rede. Im Ausland wird dagegen das Drei-Säulen-Modell der Schweiz weiterhin als sehr vorbildlich gelobt. Wie positionieren Sie sich in diesem Bild?
Ich bin weiterhin glücklich, dass die Schweiz 1972 ein Ja zum Drei-Säulen-Modell gesagt hat. Das war eine weise Entscheidung, und fast die ganze Welt beneidet uns darum. Beim Ranking, beispielsweise von der OECD, belegt die Schweiz regelmässig einen Platz in den vorderen Rängen. Wir sind eigentlich gut aufgestellt …

Das ist das Einerseits, Sie haben aber sicher auch ein Andererseits?
Erst mal nicht. Es ist eine Tatsache, dass der Schweizer immer das Haar in der Suppe sucht und auf hohem Niveau klagt. Im Vergleich zu unseren umliegenden Ländern haben wir viel kleinere Probleme in der Sicherung der Altersvorsorge.

Lassen Sie uns diese trotzdem ansprechen.
Bei uns kann keine Landesregierung sagen, morgen machen wir dies und übermorgen jenes. Wir müssen den Weg über Kompromisse, das Parlament und das Volk suchen. Das ist nicht selten ein längerer und mühsamer Prozess. Gerade beim Thema Pension kommt man in Debatten aber leider oft nicht über ein Stammtischniveau hinaus. Wir müssen uns aber auch an der eigenen Nase nehmen. Es ist an uns Spezialisten, die Thematik klar und einfach darzustellen. Wenn nicht wir, wer soll das sonst machen?

Es gibt in der Debatte auch viele Widersprüche. Nehmen Sie nur die Herausforderung beim Thema 50 plus. Auf der einen Seite sollen wir länger arbeiten. Wer aber über 50 ist und einen Job sucht, ist nicht gerade auf Rosen gebettet.
Solche Widersprüche kritisiere ich ebenfalls. Wir erleben aber auch einen gegenläufigen Trend. Noch vor vier, fünf Jahren  hat fast niemand über 65 Jahren gearbeitet, heute bekomme ich Anfragen, die in die Richtung gehen, ob und wie eine beruf­liche Vorsorge bis Alter 70 möglich ist.

In unserer Branche wird tatsächlich in Teilen länger gearbeitet. Ingenieure sind als Fachkräfte sehr gesucht, und man versucht sie dementsprechend zu motivieren, länger zu arbeiten. Architekten sind oft als Einzelpersonen selbstständig und wollen auch länger arbeiten, da beispielsweise noch zwei, drei Projekte realisiert werden sollen. Der Hintergrund ist meist sehr unterschiedlich. Das kann aus Freude am Beruf sein oder an einer mangelhaften Altersvorsorge, mit der sich die einzelnen Selbstständigen leider oft erst spät beschäftigen.

Und Sie als Pensionskasse der Branche müssen Ihre Angebote zielgerichteter ausweiten?
Richtig. Und grundsätzlich gilt: Wenn man eine Leistung will, muss man sparen und somit momentan auf Konsum verzichten. Von nichts kommt nichts. Es ist dabei nicht immer gesagt, dass man länger arbeiten muss, es kann auch sein, dass man mehr einzahlt, sprich, mehr spart.

Wir leben aber in einer Berufswelt, die immer kurzfristiger angelegt ist. Wer weiss denn heute noch, was er in fünf Jahren beruflich macht, wenn er sich von Projekt zu Projekt hangelt und immer andere Qualifikationen gefragt sind.
Wir sind keine Arbeitgeber, aber wir stellen vielfältige Lösungsmodelle und Informationsmöglichkeiten zur Verfügung. Zum Beispiel kann man sich bei uns auf Wunsch mit dem ersten verdienten Franken versichern. Es gibt dabei nicht den sogenannten Koordinationsabzug. Es gibt keine zeitliche und monetäre Hürde, um in der Zweiten Säule versichert zu sein. Oder wir unterstützen Teilzeitarbeitsmodelle, wo wir sehr flexibel agieren können. Voraussetzung ist natürlich, dass es Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch wollen. Hier gibt es, gerade, wenn man zum Beispiel projektbezogen arbeitet, noch viel Luft nach oben, da unsere Kultur des Arbeitens fast immer von langjährigen Vollzeitanstellungen ausgeht. Das hat sich und wird sich noch weiter stark verändern.

Lassen Sie uns noch auf ein konkretes Angebot von Ihnen zu sprechen kommen. Das läuft unter den Stichworten Leistung als Kapital und später als Rente. Können Sie dazu noch etwas sagen?
Sie kennen die Situation: Wenn ich heute Kapital habe, stellt sich die Frage, wie ich damit umgehe, sprich, welche Anlagestrategie ich wähle. Habe ich im Alter noch die strategischen Fähigkeiten, hier zu handeln, besteht vielleicht sogar die Gefahr, dass mein Bankberater mich über den Tisch zieht, oder hat meine Frau oder mein Mann schon alles ausgegeben? Es gibt diese Ängste. Wir können diese Bedenken auffangen. Man kann in der PTV beispielsweise im Moment des Altersrücktrittes für beispielsweise zehn Jahre die Jahresrente auf einmal beziehen, und spätestens mit dem 75. Geburtstag beginnt dann wieder ganz normal die monatliche Rente zu laufen. So haben die Leute Kapital zur Verfügung und können sich vielleicht einen lang gehegten Wunsch erfüllen. So kann man flexibel sein. Sparen heisst ja im Normalfall Konsumverzicht. Hier gibt es eine zusätzliche Option.

In der Schweiz sinkt die Zahl der Pensionskassen. Sie machen aber hier nicht den Eindruck, eine defensive Strategie vermitteln zu wollen. Aus welchem Grund blicken Sie optimistisch in die Zukunft?
Wir wollen unseren Bestand halten und organisch wachsen. Dabei sind wir natürlich auf Arbeitgeber aus unserer Branche angewiesen. Ich kann keine Buchhändlerin oder ein Restaurant versichern. Aber für unsere Branche sind wir die erste Wahl, wenn es um berufliche Vorsorge geht. Eine gute Konjunktur, verbunden mit einer guten Auftragslage, hilft uns dabei. Es hat aber immer noch Ingenieurunternehmen und ­Architekturbüros, die nicht bei uns versichert sind. Da sehen wir noch Potenzial.

Weitere Informationen:
www.ptv.ch