Muss ein Gebäude erneuert werden, lassen sich auch mit begrenzten finanziellen Mitteln schon wirkungsvolle Lösungen finden. Foto: B. Vogel

Viele Gebäudeeigentümer stehen vor der Frage, in welchen Schritten sie die energetische Erneuerung ihrer Immobilie anpacken sollen. Gemäss einer neuen Studie lassen sich auch mit relativ geringen Investitionen Ergebnisse erzielen, die wirksam Energie sparen und erneuerbaren Energien zum Durchbruch verhelfen. So wünschbar eine Gesamtsanierung unter Einbezug der Gebäudehülle ist, so lässt sich beispielsweise schon mit der Isolierung der Kellerdecke ein wirksamer Effekt erzielen. Wichtig ist, energetisch und klimapolitisch relevante Massnahmen zu erkennen, welche relativ günstig umgesetzt werden können und schneller amortisiert sind.

Gesamtsanierungen unter Einbezug der Gebäudehülle ermöglichen satte Einsparungen an Energie und CO2-Emissionen bei Wohn- und Geschäftsimmobilien. Trotzdem zögern viele Gebäudeeigentümer, ihren Altbau mit einer neuen Fassadendämmung zu versehen, unter anderem weil sie hohe Investitionskosten, einen aufwändigen Bauprozess und Folgekosten (wie z.B. Ersatz des Sonnenschutzes, Wiederinstandsetzung von Wegen, Rabatten und Umgebungsflächen) fürchten.  Hinzu kommt, dass die gesetzlichen Vorgaben bei einer Sanierung so streng sind, dass sie oft keine Zwischenlösung erlauben. Gebäudeeigentümer stehen dann etwa vor dem Entscheid, eine kostenintensive Dämmung gemäss Neubaustandard zu realisieren – oder gar nichts zu tun. Die energetische Sanierung des Gebäudes wird dann gern auf unbestimmt verschoben, oder es bleibt bei Instandsetzungen (z.B. Fassadenanstrich) oder bei punktuellen, mitunter energetisch wenig wirksamen Retouchen.

 

Dr. Martin Jakob, Geschäftsführer der Zürcher Forschungs- und Beratungsfirma TEP Energy, kennt die Problematik:  «Seit den 1990er Jahren werden Gebäudeeigentümer dazu angehalten, erst die Gebäudehülle zu sanieren, bevor sie später auch auf erneuerbare Energien umsteigen. Dieser Weg ist aber gerade für ältere Eigentümer unrealistisch, denn er erfordert grosse Investitionen, die sich nur langfristig amortisieren lassen. Zudem haben wir aus Sicht des Klimaschutzes nicht mehr die Zeit, zuerst alle Gebäudehüllen zu sanieren und dann erneuerbare Energie einzusetzen. In dieser Situation muss man Kompromisse eingehen und ein abgespecktes Sanierungsprojekt umsetzen, das trotzdem eine gute Wirkung erzielt.»

Fallstudien an elf Gebäuden zeigen: Wird im Zuge der LICS-Strategie auf eine Gesamterneuerung der Gebäudehülle verzichtet und nur das
Heizsystem auf Luft-Wasser-Wärmepumpe als primäres Heizsystem umgestellt (Strategien 4 und 5), liegen Investitionskosten und Jahreskosten
(Summe aus Kapital-, Energie- und Betriebskosten, annualisiert) tendenziell tiefer, als wenn die Gebäudehülle teilweise energetisch erneuert
wird (Strategien 1, 2 und 3). Grafik: LICS-Schlussbericht/bearbeitet B. Vogel
Fallstudien an elf Gebäuden zeigen, dass es hinsichtlich des Endenergieverbrauchs und der CO2-Emissionen vorteilhafter ist, eine
nicht-fossile Heizung einzubauen, als die Fassade zu dämmen (ersichtlich aus dem Vergleich der Strategien 5 und 1).
Grafik: LICS-Schlussbericht/bearbeitet B. Vogel

Fokus auf Heizungsanlage

Eine Studie von TEP Energy und zwei weiteren Zürcher Beratungsfirmen (Low-Tech Lab, Studio Durable) zeigt umweltbewussten Gebäudebesitzern nun Wege auf, wie sie auch mit einem tragbaren finanziellen Engagement einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz, zur Nutzung erneuerbarer Energien und zum Energiesparen leisten. Gesucht wurde nach Möglichkeiten, die energetische Erneuerung von Bestandsbauten mit investitionsgünstigen Lösungen voranzubringen. Bei solchen Low-Invest-Cost-Sanierungen (kurz: LICS) betragen die Investitionskosten pro Quadratmeter Energiebezugsfläche rund 200 bis 300 Fr., für eine 100-m²-Wohnung mit einer Energiebezugsfläche von rund 125 m² also etwa 25’000 bis 38’000 Fr. Die Studie wurde vom BFE, dem Elektrizitätswerk der Stadt Zürich sowie den Städten Zürich und Winterthur unterstützt.

Wie aber saniert man kostengünstig? Indem man seine Massnahmen auf einen wesentlichen Teil beschränkt, lautet die Antwort der LICS-Studie. Konkret rät sie, auf die umfassende Erneuerung der Gebäudehülle zu verzichten und die finanziellen Mittel stattdessen in ein neues System zur Erzeugung von Heizwärme und Warmwasser zu stecken, ergänzt um punktuelle, zielgerichtete Effizienzmassnahmen.

Günstiger durch Nutzung von zwei Energieträgern

Als bevorzugtes Heizsystem propagieren die Autorinnen und Autoren Luft/Wasser-Wärmepumpen, die Wärme aus Umgebungsluft gewinnen und unter Zuführung von Strom Heizwärme und Warmwasser erzeugen. Sie raten, Heizsysteme mit über 30 bis 40 kW Leistung für mittlere und grössere Mehrfamilienhäuser und Bürogebäude bivalent auszulegen. Dabei deckt die Wärmepumpe etwa die Hälfte der Leistung und etwa 80% bis 90% der Energie ab. Der Rest wird bei der bivalenten Konfiguration durch Biogas, synthetisches hergestelltes Methan oder Holz gedeckt.

 

Alternativ kann eine LICS-Lösung aber auch aus einer Holzheizung oder dem Anschluss an ein Fernwärmenetz mit hohem Anteil erneuerbarer Energien bestehen. Ohne umfassende Sanierung der Gebäudehülle haben die Gebäude zwar weiterhin einen mittelhohen Verbrauch, dieser kann mit LICS-Lösungen aber mit deutlich weniger Primärenergie und CO2-Emissionen gedeckt werden. «LICS-Lösungen erlauben einen grossen Schritt in Richtung erneuerbar und fossilarm betriebener Gebäude», sagt Martin Jakob. «Zwar bleiben gewisse Restemissionen, aber in der Regel sind es weniger als jene 6 kg CO2 pro m² EBF und Jahr, die vom Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein (SIA) als Richtwert für Wohngebäude genannt werden (siehe SIA-Effizienzpfad 2040).» LICS-Lösungen seien je nach Situation nicht wegen der Kosten, sondern v.a. wegen ihrer weiteren Vorteile vorzuziehen, darunter weniger Lärm, weniger Anschlussleistung, weniger Platzbedarf. Sie ermöglichten damit oft überhaupt eine Integration von erneuerbaren Energien in nicht oder nur teilweise sanierte Bestandsbauten.

Eckwerte der elf Gebäude, die in den Fallstudien berücksichtigt wurden.
Tabelle: LICS-Schlussbericht/bearbeitet B. Vogel

Unterstützende Massnahmen

Damit Wärmepumpen und ergänzende Heizsysteme mit möglichst wenig Energie auskommen, propagieren die Autorinnen und Autoren der LICS-Studie eine Reihe unterstützender Massnahmen. Dazu zählen

  • Bedarfsreduktion durch Dämmung von Estrichboden und Kellerdecke;
  • Senkung der Vorlauftemperatur durch wärmeverteilungs- und abgabeseitige Massnahmen wie Anpassen von Einstellungen wie Heizkurve, Raumtemperatur, Nachtabsenkung sowie hydraulischer Abgleich;
  • Lüftungskonzepte, die günstiger sind als Zu- und Abluftanlagen mit Wärmerückgewinnung – so Abluftanlagen, automatische bzw. gesteuerte Fensteröffnung, in den Fenstern integrierte Wärmetauscher;
  • Warmwasser einsparen durch Einbau einer Duschrinne mit Wärmerückgewinnung;
  • sorgfältige Dimensionierung, Inbetriebnahme und laufende energetische Betriebsoptimierung gemäss SIA-Methodik.

Das Autorenteam der LICS-Studie sieht in bivalenten Heizsystemen mit Luft/Wasser-Wärmepumpen ein fortschrittliches Heizsystem, das insbesondere in Aussenquartieren von Städten eingesetzt werden kann, wo die Verlegung von Erdwärmesonden kaum flächendeckend möglich ist. Die Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass in Städten 60 bis 65 % der Gebäude mit einer Wärmepumpe unterschiedlicher Bauart ausgestattet werden können, auf dem Land 80 bis 85 %. Um die Lärmbelästigung in den Griff zu bekommen, schlagen sie gezielte Massnahmen vor, die zumindest teilweise ‹low-cost› sind. So kann man beispielsweise den Aufstellungsort geschickt wählen, die Grösse der Wärmetauscher und der Luftkanäle anpassen, um Geräuschentwicklung und die Strömungsgeschwindigkeit zu reduzieren, oder Schallhauben montieren. Zudem sei zu prüfen, ob gesetzliche Anpassungen vorgenommen werden sollten (vgl. Textbox «Handlungsempfehlungen»).

Fallstudien mit elf Gebäuden

Bei der Abschätzung der finanziellen und ökologischen Auswirkungen verschiedener Sanierungsstrategien stützt sich das LICS-Autorenteam auf elf Fallstudien mit Ein- und Mehrfamilienhäusern sowie Bürogebäuden aus älteren Bauperioden vor 1990. Für die Gebäude wurden mit einem Simulationstool (INSPIRE) für zwei Referenzfälle und fünf Sanierungsstrategien die Kosten (Investitions- und annualisierte Gesamtkosten), der Endenergieverbrauch und die direkten und die indirekten CO2-Emissionen berechnet (vgl. Grafiken 01 und 02). Bei den Strategien 1 bis 3 wird die Gebäudehülle energetisch teilweise erneuert, nicht aber bei den Strategien 4 und 5. Bei den Strategien 5, 4 und 3 kommt eine LICS-Heizung (Luft-Wasser-Wärmepumpe mit Gas oder Ölkessel für Lastspitzen) zum Einsatz.

 

Aus ihren Simulationsrechnungen ziehen die Autorinnen und Autoren folgende Schlussfolgerungen: «Die Resultate zeigen, dass die Investitionskosten bei den analysierten Gebäuden für die Strategien mit LICS-Lösung (S3 bis S5) in einem überschaubaren Rahmen gehalten werden können. Für Strategie S3 fallen sowohl die Investitionskosten als auch die totalen Jahreskosten in der Regel nur leicht höher aus als bei der fossilen Lösung (S1), dies bei deutlich geringeren Emissionen. Wenn keine oder nur sogenannte LICS-spezifische Gebäudehüllenmassnahmen ergriffen werden, liegen die Investitionskosten sogar tiefer als bei fossilen Lösungen. Bei diesen Strategien (S4 und S5) sinken die Emissionen zwar nicht ganz so tief wie bei S3, können aber trotzdem deutlich reduziert werden, womit in der Regel auch die Einhaltung des Richtwerts gemäss SIA 2040 möglich ist.»

Praktikabel und schnell

Der neue Ansatz ist nach Auskunft der Fachleute auch deshalb praktikabel, weil heute Wärmepumpen zur Verfügung stehen, die jene Vorlauftemperaturen liefern, die bei nicht top-sanierten Gebäuden benötigt werden (bis zu 65°C). Ein schneller Heizungsersatz sei auch angezeigt, weil sonst die Energieziele nicht rechtzeitig erreichbar seien. Der geringere Investitions- und Finanzbedarf von Low-Invst-Cost-Sanierungen werde zu «schnelleren Fortschritten bei der Reduktion der landesweiten Treibhausgasemissionen (2 bis 5% pro Jahr statt weniger als 1% pro Jahr) führen», schreibt das Autorenteam im Projektschlussbericht mit Bezug auf eigene Berechungen.

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