Die helle Fassade mit davorgesetzten Bäumen in der Pfingstweidstrasse in Zürich.

Der Klimawandel ist auch in der Bau- und Immobilienbranche angekommen. Damit stellt sich die dringende Frage, welche Szenarien und konkreten Massnahmen den Verantwortlichen zur Verfügung stehen, die schnell Wirkung zeigen.

Seit einigen Jahrzehnten steigt die globale Temperatur, extreme Wetterereignisse wie Starkniederschläge werden häufiger und Hitzetage über 30 Grad und Tropennächte über 20 Grad nehmen dort am stärksten zu, wo wir wohnen. Die
Verursacher für diese Phänomene sind bekannt: der Ausstoss von Treibhausgasen, vor allem CO2 aus der Verbrennung von fossilen Brenn- und Treibstoffen in die Atmosphäre. Die Politik hat die Problematik erkannt und will in den nächsten Jahrzehnten die Emissionen dieser Klimagase senken – mit dem Ziel, die Erwärmung der Atmosphäre auf maximal 1.5 Grad zu begrenzen. Auch wenn diese notwendigen Massnahmen zu greifen beginnen und der Ausstoss an schädlichen Klimagasen in der Schweiz rückläufig ist, werden die klimatischen Veränderungen gemäss den Prognosen der Klimawissenschaftler noch lange spürbar bleiben. Insbesondere in den dicht bebauten Gebieten in den Städten zeigen die Klimakarten, beispielsweise des Kantons Zürich, sogenannte Hitzeinseln, welche die Freude an hochsommerlichen Wetterlagen trüben werden. Aus diesem Grund braucht es neben den Minderungsmassnahmen auch eine Strategie zur Anpassung der Gebäude und Freiräume an die höheren Temperaturen. Die Rezepte sind zum Teil schon lange bekannt, denken wir etwa an die Architektur in Südeuropa. Die Bau- und
Immobilienbranche und die Stadtplanung sind gefordert und sollen unsere Siedlungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten kühlen.

Vorbilder aus dem Mittelmeerraum
Verschiedene Schweizer Städte haben auf die Hitzeinselproblematik reagiert. So wurden in den letzten Jahren Hitzeminderungsplanungen erstellt, welche sowohl bei den eigenen Gebäuden und Freiräumen ansetzen, als auch private Bauherren zum Handeln motivieren sollen. Bei neuen Überbauungen oder Verdichtungen können
stadtklimatische Verbesserungen schon in der frühen Planungsphase erreicht werden. Die Geometrie und Stellung der Baukörper sollen die gegenseitige Beschattung und die Durchlüftung ermöglichen. Die Materialisierung von Fassaden und Dächern mit möglichst hellen Farben und entsprechend hohem Albedo-Wert (Albedo = Rückstrahlungsvermögen einer Oberfläche) tragen zur Kühlung der Gebäude bei. Die mediterranen Städte sind ein gutes Beispiel für die Wirksamkeit dieser Massnahmen. Dass hier aber auch städtebaulich-ästhetische Fragen sowie Konflikte mit dem Denkmalschutz und mit den wohnhygienischen Anforderungen betreffend der Besonnung der Wohnräume provoziert werden, verlangt nach einer gesamtheitlichen Betrachtung.

Grundsätzlich könnte die Hitzeproblematik im Gebäude auch mit technischen Massnahmen gelöst werden. Eine Vollklimaanlage und mechanische Kälteerzeugung macht uns zwar unabhängig vom Aussenklima. Weil solche Anlagen aber viel Strom verbrauchen, welcher zunehmend für die Elektromobilität und Digitalisierung benötigt wird, sollte der Kühlbedarf primär mit baulichen und bautechnischen Massnahmen auf ein Minimum begrenzt werden. Angemessene Glasanteile in der Gebäudehülle, ein effektiver Sonnenschutz, eine gute Massenankopplung, effiziente Geräte und die Nutzung von Tageslicht sind hier der Königsweg. Eine Nachtauskühlung des Gebäudekerns via Treppenhaus mit sensorengesteuerten Öffnungen im Eingangsbereich und im Dach reduzieren den verbleibenden Kühlbedarf. Der Einbezug der Nutzer in das Kühlkonzept wird zukünftig ebenfalls eine grössere Rolle spielen. Die Frage darf gestellt werden, wie viel störungsanfällige Technik für ein erträgliches Raumklima notwendig ist.

Grün hat Vorfahrt
Ein weiteres Mittel für die direkte Gebäudekühlung sind begrünte Flachdächer und Fassaden. Für erstere gibt es bereits Vorschriften in der Bauordnung. Dass es erst wenige begrünte Fassaden gibt, hat auch mit deren Pflege und Unterhalt zu tun. Für die indirekte Kühlung der Gebäude haben klimaökologisch optimierte Freiräume in der Umgebung einen grossen Einfluss. Bäume kühlen die Umgebung nicht nur durch die Beschattung, sie wirken zusätzlich als natürliche Klimaanlage. So verdunstet eine ausgewachsene Buche an einem heissen Sommertag bis zu 400 Liter Wasser über die Blätter und kühlt die Umgebung um einige Temperaturgrade. Untersuchungen in einem Innenhof mit Bäumen haben gezeigt, dass sich die Anzahl der Hitzetage dank der Bäume auf die Hälfte reduzierte. Bei der Auswahl der Baumarten in den Städten hat der Klimawandel bereits einen Einfluss, weil Bäume aus Südeuropa dank erhöhter Trockenheits- und Hitzeresistenz besser an die Entwicklung des Stadtklimas angepasst sind als unsere einheimischen Baumarten. Ein weiterer Einfluss auf das lokale Klima durch die Freiräume hat die Zurückhaltung und Versickerung von Regenwasser. Oberflächen wie Sickersteine, Kies- und Grünflächen kühlen dank der Verdunstungsleistung die Umgebung und verringern den Abflussbeiwert gegenüber Hartbelägen wie Asphalt und Beton. Sie weisen eine bessere Albedo (Rückstrahlvermögen) aus und senken die Kosten für die Ausführung der Umgebungsarbeiten im Vergleich zu Asphalt. Ein grosses Potenzial für hitzemindernde Massnahmen liegt bei der Entsiegelung von heute noch versiegelten Flächen im Stadtraum. Interessante Pilotprojekte wie das Schwammstadt-Prinzip könnten für die Entsiegelung, die Verbesserung der Wasserversorgung von zusätzlichen Stadtbäumen und als Nebeneffekt auch zur Entlastung der Kanalisation bei Starkniederschlägen einen wertvollen Beitrag leisten.

Die Herausforderung besteht darin, diese Massnahmen und Konzepte mit einem minimalen Ressourcenaufwand zur Vermeidung von Rebound-Effekten umzusetzen
und weitere Anliegen wie zum Beispiel die Förderung der Biodiversität und ganz allgemein die Verbesserung der Aufenthaltsqualität im Freiraum zu berücksichtigen. Fehlendes Know-how bei den Planern und ungenügende Sensibilisierung bei den Entscheidungsträgern für Bauprojekte sind die grössten Hemmnisse bei der Umsetzung der Massnahmen und Konzepte zur Kühlung der Siedlungen. Eine wirksame Verbesserung der Hitzebelastung ist nur möglich durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Gebäudetechnikern, Architekten und Landschaftsarchitekten sowie Raumplanern und durch das Verständnis der Bau- und Immobilienbranche für diese Zusammenhänge. Die Veranstaltungsreihe Sia-inForm hat das erkannt und bietet den interessierten Architekten, Landschaftsarchitekten, Stadtplanern und Gebäudetechnikern Weiterbildungsveranstaltungen zu diesem Thema an.

Veranstaltung Sia-inform
Veranstaltung «Bauen im Klimawandel» 7.4.2022, 13:30 – 17:30 Uhr Kulturpark Zürich Anmeldung und weitere Informationen siehe sia-form.

www.sia.ch