Emissionen aus Energie verursachen den grossen Teil der Treibhausgas-Emissionen. Höchste Zeit, auch aus diesem Grund, für eine Energiewende. Wobei die Solarenergie, gerade auch in der Schweiz, einen viel höheren Anteil haben darf. Bis 2050 wurden im Rahmen der Energiewende ambitionierte Ziele gesteckt. Auch das Klimaabkommen von Paris und seine Verpflichtungen sind dabei wegweisend und bauen Druck auf. Nur hat die Solarenergie in der Schweiz noch viel Luft nach oben. Der Schweizer Solarpreis verdeutlicht mit seinen Referenzbeispielen, wohin die sonnige Reise gehen kann. Wir präsentieren in dem folgenden Beitrag nicht alle, aber die für uns wichtigsten Preisträger.
Das Ende November 2020 erschienene Grundsatzpapier Energieperspektiven
2050+ im Auftrag des Bundesamtes für Energie (BFE) belegt, was
die Freundinnen und Freunde der Sonne in der Schweiz schon seit Jahren einfordern:
Für den Ersatz von Erdöl, Gas und Atomkraft braucht es einen raschen und
massiven Ausbau der erneuerbaren Energien in der Schweiz. Der grösste Teil davon
kommt von der Photovoltaik. Konkret soll die installierte Leistung in den nächsten
30 Jahren gegenüber heute um den Faktor 13 gesteigert werden. Der Bericht zeigt klar
auf, dass dies nur mit verbesserten Rahmenbedingungen gelingen kann. Die Politik,
Architekten, Bauplaner und Finanziers, sprich alle Akteure derb Baubranche und
Häuslebauer sind gefordert.
Laut dem Papier muss ab 2025 jährlich über 1 000 Megawatt installiert werden – im
laufenden Jahr sind es rund 400 Megawatt. Der Bericht sagt klar, dass das Ziel unter
den aktuellen Rahmenbedingungen nicht erreichbar ist. Es braucht aus diesem
Grund dringend neue Förderinstrumente und neue Flächen. Dazu gehören beispielsweise
grosse Photovoltaikanlagen ohne Eigenverbrauch, die auch Anreize brauchen.
Zudem gibt es nicht nur Flächen auf Einfamilienhäusern. So können beispielsweise
Transportunternehmen des öffentlichen Verkehrs auf ihren Gebäuden und Infrastrukturen
ein Viertel ihres Energieverbrauchs erzeugen und so einen wichtigen
Beitrag zur Energiestrategie 2050 leisten.
Um die Entwicklung voranzutreiben, braucht es Vorbilder in Form von innovativen
Gebäudelösungen, aber auch Persönlichkeiten. «Der Solararchitektur kommt
eine entscheidende Schlüsselrolle zu – mit Bauwerken, die auch gestalterisch zu
überzeugen vermögen»: so der Präsident des Schweizerischen Ingenieur- und Architekturverein SIA, Stefan Cadosch. Der Schweizer Solarpreis gibt diesen Vorbildern
eine Bühne und zeigt, dass Sonnenenergie weit über die sporadische Installation
von Photovoltaikanlagen hinausgeht.
Kategorien der Preises
Beim jährlich verliehenen Schweizer Solarpreis gibt es auch aus diesem Grund drei
zentrale Kategorien und einige Neben- und Sonderkategorien.
Die Kategorie A umfasst Personen, Unternehmen, Vereinigungen, Verbände, Institutionen
sowie Körperschaften des öffentlichen Rechtes, die sich in besonderem Masse für die Förderung der Sonnenenergienutzung und andere erneuerbare Energien eingesetzt haben.
In die Kategorie B fallen Gebäude, sowohl neu als auch saniert, die architektonisch
und energetisch optimal konzipiert sind. Zu den Entscheidungskriterien zählen eine
vorbildliche Solararchitektur mit optimaler Wärmedämmung, grösstmöglicher
Eigenenergieversorgung und geringster Fremdenergiezufuhr von nicht erneuerbaren
Energieträgern.
Die Kategorie C ist die vielfältigste: Hier finden sich Energieanlagen für erneuerbare
Energie, die sich nochmals in solarthermische Anlagen, photovoltaische Anlagen
und Biomasse-Anlagen unterteilen lassen. Ausschlaggebend sind dabei optimale
Wärmedämmung, effiziente Energienutzung und sorgfältige Integration der Anlage.
Ausserhalb dieser Kategorien werden zusätzlich der PlusEnergieBauten-Solarpreis
(PEB) und der Norman Foster Solar Award verliehen. Neben den Schweizer Solarpreisen kann die Jury im Falle ähnlich innovativer Anlagen, Bauten oder PEB ein Diplom für besondere Leistungen vergeben. Für das Jahr 2020 wurden 73 Bewerbungen
eingereicht, von denen zehn mit dem Schweizer Solarpreis ausgezeichnet wurden.
Würdigung des Lebenswerks
In der Kategorie A geht es zunächst um Persönlichkeiten, die sich um das Thema
Sonne verdient gemacht haben. 2020 stand Dr. Markus Real, Elektroingenieur,
im Fokus. Dr. Markus Real war 1981 der Erste, dem es gelang, Solarstrom ins öffentliche
Netz einzuspeisen. Später konstruierte er für Daimler Benz / Mercedes das Rennsolarmobil Alpha Real. Damit gewann er 1985 in Rekordzeit die weltweit erste Tour de Sol. 1986 lancierte Alpha Real das Projekt «Megawatt – Alpha Real sucht 333 3-kW-Kraftwerkbesitzer», mit dem ein Jahr später 333 Kraftwerke mit mehr als einem Megawatt Leistung am Netz angeschlossen waren. Das war ein «Wegweiser» für die Dezentralisierung der Solarstromerzeugung und des Stromverbrauchs.
Schule hat Vorfahrt
Das Programm «Klimaschule» beinhaltet die Schwerpunktthemen Energie und Mobilität,
Biodiversität und Ernährung sowie Ressourcen und Abfall. Im ersten Jahr wird die Solarkampagne mit Crowdfunding-Aktivitäten durchgeführt und die Solaranlage in Kombination mit Bildung gebaut. Mit dem Bildungsansatz gelingt es, Schulhausdächer
für den Solaranlagenbau leichter verfügbar zu machen. Ziel ist, Schülerinnen und Schüler
aktiv und erlebnisorientiert an die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit heranzuführen
und ihre Schulen energie- und CO2-effizienter zu machen. Der Bau einer Solaranlage
auf ihrem Schulhausdach ist Teil des Programms. Bis Juni 2020 beteiligten sich 21 Schulen mit über 5 000 Schülerinnen und Schülern. So sind Solaranlagen mit gut 1.5 Megawatt Leistung installiert worden.
Weltrekord eingestellt
Die Bauernfamilie Brunner-Bapst erstellte 2019 in Waltensburg GR ein PlusEnergie-
Einfamilienhaus mit der bisher höchsten Eigenenergieversorgung aller Schweizer Solarpreise. Das grosszügige, Ost-Westausgerichtete Satteldach schützt vor Wind
und Wetter und produziert mit der perfekt integrierten 48-kW-Photovoltaikanlage
jährlich 40’200 kWh pro Jahr. Dank guter Dämmung, A+++-Haushaltgeräten und
LED-Lampen beträgt der Gesamtenergiebedarf der Familie pro Jahr nur 4 900 kWh.
Die Eigenenergieversorgung von 817 Prozent ist ein neuer PlusEnergieBau-Schweizer-
und Weltrekord.
Überschuss Elektromobilität
Gerade in der Kategorie B wird über die eigentliche Gebäudehülle hinaus gedacht. Auf
einer beeindruckenden Dachfläche von 45’000 Quadratmetern ist in Perlen auf einem
Verteilzentrum eine installierte Leistung von 6 425 kWp vorbildlich integriert. Diese
PV-Anlage ist etwa 1 000 Mal so gross wie eine durchschnittliche Solaranlage auf einem
Einfamilienhaus. Sie nutzt trotz der technischen Aufbauten für Rauchwächteranlagen,
Blitzschutz und Fluchtwege praktisch die gesamte solarnutzbare Dachfläche. Mit dem
so entstehenden Solarstromüberschuss können 3 000 Elektrofahrzeuge jährlich je
12’000 Kilometer CO2-frei fahren.
Attraktive Fassade
Der Supermarkt in Heiden AR ist bereits der dritte PEB-Supermarkt der Genossenschaft
Migros Ostschweiz. Er zeichnet sich im Bereich der Energieeffizienz durch eine Weiterentwicklung der bisherigen Technologie aus. Das Gebäude ist zu 100 Prozent mit LED-Beleuchtung ausgestattet. Der Wärmebedarf des Supermarkts ist dank der Abwärmenutzung von der Kälteanlage und der beispielhaften Wärmedämmung
der Gebäudehülle wegweisend tief. Die moderne PV-Fassade gehört zu den attraktivsten
und leistungsstärksten PV-Fassaden der Schweiz.
Alt und Neu
Historische Bauten und Siedlungskerne nutzen bis heute noch wenig Solarenergie. Die
Sanierung des 400-jährigen Mesmerhauses in einem der ältesten Siedlungskerne des
Bodenseegebiets beweist erneut eine interessante Tatsache: Auch in denkmalgeschützten
Bauzonen kann ein historisches Gebäude die Solarenergie unter Wahrung der Auflagen der Denkmalpflege und des Ortsbildschutzes sehr gut nutzen. Die 2020 installierten und in Betrieb genommenen PV-Anlagen produzieren insgesamt rund 9 140 kWh / a. Die 30 m2 grosse PVT-Anlage generiert neben Elektrizität ca. 3 400 kWh / a Wärme. Dank verbesserter Wärmedämmung von 14 bis 36 Zentimetern in Kombination mit einer energieeffizienten Haustechnik und einer Wärmepumpe erreichen die drei Wohnungen des MFH eine Eigenenergieversorgung von insgesamt 71 Prozent.
Mehr Fläche
Im Rahmen der Kategorie C geht es in erster Linie um die politisch geforderte Erschliessung
von neuen und grossen Flächen. Die Transports Publics Genevois (TPG) ist ein öffentliches Verkehrsunternehmen und betreibt im Kanton Genf Trams, Trolley- und Autobusse. Sie setzt vermehrt auf Elektromobilität. Mitte November 2019 installierte die TPG eine 335 kW starke PV-Anlage auf dem Fahrzeugdepot der TPG. Jährlich erzeugt diese PV-Anlage rund 250›000 kWh Gleichstrom. Dieser wird ohne Umwandlung zu 100 Prozent direkt für den Trambetrieb verwendet. Die Unterstation Plainpalais kann damit jährlich rund elf Prozent des Energiebedarfs vom eigenen Dach decken.
Das zweite Beispiel in diesem Rahmen ist ein Carport mit 310’000 kWh / a Solarstrom in Ebikon. Die auf den bestehenden Carports auf dem Areal der Schindler Aufzüge AG installierte 328 kW starke PV-Anlage bringt drei Nutzen: Nebst der CO2-freien Stromerzeugung dient das Generatorfeld als Witterungsschutz. Dazu verschattet es die Teerflächen und sorgt somit vor allem im Sommer für eine geringere Aufheizung dieser Flächen. An einem Carport sind fünf E-Ladestationen für Besucher und im Parkhaus 30 E-Ladestationen für Mitarbeiter installiert. Zudem wird der Carport durch die elegant integrierten PV-Module ästhetisch aufgewertet. Der Solarstrom der PV-Anlagen wird auf die Hauptverteilung des Gebäudes gespeist, da am Wochenende keine Elektrofahrzeuge geladen werden. Jährlich erzeugt der Carport rund 310’000 kWh Strom, welcher zu 100 Prozent auf dem Areal genutzt wird bzw. reichen würde, um 221 Elektroautos CO2-frei zu versorgen. Der maximale Eigenverbrauch führt zu einer hohen Wirtschaftlichkeit, da kein Strom billig ins öffentliche Stromnetz abgegeben wird.
Erkennbare Trends
Der Schweizer Solarpreis ist das Aushängeschild der Solaragentur Schweiz und wirbt
für die Nutzung solarer Energiequellen. Ein Einsatz, der vor 30 Jahren noch belächelt
wurde, schienen die komplexen und futuristischen Bauten weder die ästhetischen noch
die technischen Anforderungen erfüllen zu können. Diese Einschätzung wurde im Laufe
der Zeit mehr und mehr widerlegt. So erreichen die Gebäude mittlerweile nicht nur gestalterisch, sondern ganz besonders durch ihre Leistung Rekorde auf nationaler und internationaler Ebene. Schritt für Schritt werden auch renommierte Architekten auf die
raffinierte Integration von Solarelementen aufmerksam, mit der künstlerisch, fast spielerisch umgegangen werden kann.
Da überrascht es, dass gerade die Renovationsrate in der Schweiz noch weit abgeschlagen
ist. Viele ältere Gebäude sind energetisch nicht fit und beziehen stattdessen noch viel zu viel fossile Energie. Hartnäckig hält sich die Skepsis gegenüber solaraktiven Gebäudeflächen. Zu gross ist die Unsicherheit in Bezug auf Preise, Effizienz und gestalterische Einschränkungen. Hier wirkt der Solarpreis aktiv entgegen: Er bietet eine Bühne für gebaute und erfolgreiche Realität. Mittlerweile steigt die Zahl von Bauwerken, die mehr Energie produzieren, als sie selbst brauchen, stetig an. Angetrieben wird diese Bewegung von Entwicklungen der Technik und die Preiserosion bei solaraktiven Produkten, sowohl bei Neubauten als auch Sanierungen mit effizienten Solaranlagen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Klimabewegung der letzten Jahre, bei der zum ersten Mal die junge Generation zum Treiber wird, indem sie schnell und effizient Gleichgesinnte rund um den Globus mobilisiert. Auch in der Architektenwelt blieb der Ruf nicht ungehört: Aus diesem Verantwortungsbewusstsein heraus bringt die Debatte zu Themen wie ökologischem, ressourcenschonendem und energieeffizientem Bauen sowie einer aktiv umgesetzten Kreislaufwirtschaft eine neue Generation Bauwerke hervor, die einen entscheidenden Beitrag zum Erreichen der Pariser Klimaziele leisten. Die Solararchitektur, früher noch kritisch betrachtet, wird dabei zum Schlüsselelement und beweist einmal mehr ihre Aktualität.