Alte Schiffscontainer bilden den Rahmen für eine Wohnung mit vielen Recyclingprodukten – hier ein Referenzbeispiel in den Niederlanden.

Der Bausektor gehört zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftssektoren in Deutschland und der Schweiz. Daher fordert der Münchner Projektentwickler Michael Schwaiger ein Umdenken in der Baubranche. Der Experte wünscht sich eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Kreislaufwirtschaft. Die Wiederverwendung von Altbaustoffen als hochwertige Werkstoffe müsse forciert werden. Die Revitalisierung von Immobilien spare 60 Prozent Primärrohstoffe und CO2. Daher sei es für Politik und Bauwirtschaft wichtig, in geschlossenen Materialkreisläufen zu denken.

Der Bauboom der vergangenen zehn Jahre treibt den Rohstoffbedarf weiter an. Laut Statistischem Bundesamt kamen 2013 im deutschen Bausektor 534 Mio. Tonnen mineralische Baurohstoffe zum Einsatz. Gleichzeitig stellen mineralische Bauabfälle mit Abstand die grösste Abfallfraktion dar. 2016 fiel in Deutschland eine statistisch erfasste Menge von 215 Mio. Tonnen an mineralischen Bauabfällen an, die je nach Kategorie offizielle Verwertungsquoten zwischen 80 und 90 Prozent aufweisen. In der Schweiz dürften die Zahlen ähnlich aussehen. Zu dieser Situation hat Michael Schwaiger eine klare Positionierung: «Das Problem ist, dass nicht Recycling, sondern Downcycling stattfindet.» Die zurückgewonnenen Baustoffe kommen kaum für gleichwertige Anwendungen zum
Einsatz, sondern etwa als Auffüllmaterial zur Stabilisierung im Tief- und Wegebau. «Der Bauschutt gelangt überwiegend in minderwertiger Funktion in den Kreislauf zurück. Das Potenzial zur Herstellung von hochwertigen Werkstoffen wie Beton bleibt dadurch ungenutzt – und damit der Bedarf an Primärrohstoffen ungebremst», erklärt Schwaiger. Das tatsächliche Recycling von mineralischen Baustoffen spiele aktuell noch eine verschwindend geringe Rolle. Dabei stelle der Gebäudebestand das bedeutendste Rohstofflager in Deutschland und der Schweiz. Die Schwaiger Group selbst hat sich in den vergangenen Jahren mit der Revitalisierung von Objekten, Geothermie und Solarenergie in der Baubranche positioniert und zählt zu den Vorreitern auf diesem Gebiet.

Öffentliche Hand muss Recycling fördern
Um einen geschlossenen Materialkreislauf zu schaffen, anstatt mineralische Baumaterialien
im Sinne eines Downcycling im Tiefbau einzusetzen, müssen veraltete Regularien und Normen aktualisiert werden. Die Herstellung von rezykliertem Beton (R-Beton) beruhe etwa auf dem Stand der Technik der 90er-Jahre. «Zur Herstellung von R-Beton darf aktuell keine feine rezyklierte Gesteinskörnung verwendet werden, und eine grobe rezyklierte Gesteinskörnung ist nur beschränkt erlaubt. Diese Vorschriften vernachlässigen die technische Entwicklung der vergangenen 30 Jahre und berücksichtigen etwa nicht neue Betonzusatzmittel oder Fortschritte bei der Aufbereitungstechnik. Hier muss dringend nachgebessert werden », betont Schwaiger. Offiziell gilt zertifizierter Recycle-Beton als gleichwertig gegenüber Normalbeton. In der Praxis findet er aber kaum Anwendung. Laut Schwaiger könnte die öffentliche Hand als grösster Auftraggeber der Bauwirtschaft dies schnell ändern, würde sie bei Ausschreibungen den Einsatz von Recycling-Rohstoffen fordern. «Es wäre schon ein grosser Schritt getan, würden Recycling-Baustoffe gleichwertig mit Primärrohstoffen behandelt. Die Realität ist allerdings, dass Sekundärbaustoffe gar nicht erst zugelassen werden», erklärt der Projektentwickler. Aktuell bestünde der Eindruck, dass die Wiederverwendung von Bauschutt im Sinne einer geschlossenen
Kreislaufwirtschaft weder erwünscht noch sinnvoll sei. «Dabei gibt es eigentlich ein
Kreislaufwirtschaftsgesetz, das die öffentliche Hand dazu verpflichtet», ergänzt
Schwaiger. Es reiche nicht, energieeffiziente Gebäude zu bauen.

Ressourcenschonung durch refurbishment
Nach Meinung von Experten ist die Baubranche für ein Viertel aller CO2-Emissionen
verantwortlich. Ein Ansatz ist, sowohl CO2 als auch den Verbrauch von Primärrohstoffen
zu reduzieren: Es muss mehr Wert auf die Erhaltung bestehender Bausubstanz gelegt werden. Zudem sollte der Fokus auf Konstruktionen mit einer langen Nutzungsdauer liegen. «Bei der Revitalisierung von Immobilien beträgt der Bedarf von mineralischen Baustoffen im Durch-schnitt nur 40 Prozent dessen, was bei einer Entscheidung für einen Abriss inklusive Neubau derselben Immobilie fällig geworden wäre. Noch drastischer ist die Bilanz mit Blick auf die Bauabfälle», erklärt Schwaiger. Während der Mehrwert von hochwertig revitalisierten Immobilien bereits von Nutzern erkannt und vermehrt nachgefragt wird, fehlt
laut Schwaiger in der Baubranche noch ein ausgeprägteres Bewusstsein für die Bedeutung von Recycling-Baustoffen. «Das wird sich aber schnell ändern. Die Klimaziele zwingen uns in den kommenden Jahren zu ganz anderen Massnahmen als das, was wir bisher überwiegend freiwillig bereit zu tun sind.»

www.schwaiger.com