Geeignete Zwischennutzungen unterstützen den Transformationsprozess. (Freya Mohr)

Basel wächst. Zurzeit stehen der Stadt mehrere grosse Areale zur Verfügung, um darauf ganz neue Stadtviertel zu entwickeln. Eines davon ist der Hafen am Klybeckquai und auf der Westquai-Insel. Bisher nutzen vor allem Zwischennutzer das Gebiet als kulturellen Freiraum, die Arealentwicklung ist trotzdem im vollen Gange.

Da, wo einst Boccia-Bahn und OpenAir-Bühne waren, prangt jetzt ein riesiges Loch. 42 Meter lang, acht Meter breit und dreieinhalb Meter tief. Räumen die Zwischennutzer hier am Holzpark Klybeck schon das Feld? Nein, ganz im Gegenteil. ShiftMode – Verein für Transformation hat eine Verlängerung für die nächsten fünf Jahre bekommen. Zeit genug, um ein weiteres Herzensprojekt auf dem ExMigrol-Areal zu realisieren. Von Anfang an war auf dem Areal eine Event-Halle für Kulturveranstaltungen geplant – jetzt kann diese endlich gebaut werden.In den letzten sieben Jahren entstanden auf dem Hafen-Areal in Basel verschiedene Projekte für Zwischennutzung: In einer grünen, blühenden Oase stehen zwei orange Überseecontainer, bei Sonnenschein öffnet hier die Bar «Patschifig» ihre Luken. Die Generationen-Gärtner kümmern sich um die umliegenden Hochbeete. Nur wenige Meter weiter steht ein ausrangierter, silberner Wohnwagen – in lauen Sommernächten
tanzen die Gäste hier in der «Sommerresidenz» bis in die frühen Morgenstunden. Weiter nördlich, den rostigen Schienen entlang, drehen ein paar Skater ihre Runden in der Trendsporthalle auf dem ExEssoAreal. Gleich gegenüber steigen an warmen Sommerabenden so manche Konzerte in der «Marina Bar», der ältesten Institution auf dem Hafen-Areal. Alles sind Projekte auf Zeit – langfristig plant die Stadt Basel am Klybeckquai einen dichten urbanen Stadtteil mit Wohnen, Freizeit, Gewerbe und Arbeiten.

Mehr Raum zum Leben
Der Kanton profitiert von einem dynamischen Umfeld, die Wirtschaft in Basel wächst. In den letzten zehn Jahren sind 20’000 neue Arbeitsplätze entstanden. Das heisst aber auch, dass immer mehr Menschen nach Basel ziehen. In derselben Zeitspanne sind 10’000 neue Einwohner dazugekommen. Für eine Stadt wie Basel, die durch ihre geografischen Grenzen zu Frankreich und Deutschland stark in der Fläche limitiert ist, kann dieser Zuwachs eine Herausforderung sein. Viele wohnen ausserhalb und pendeln täglich zur Arbeit. Um neue Flächen für Wohnen, Arbeiten, Infrastruktur, Erholung und Freizeit zu schaffen, baut Basel auf die folgenden Strategien: Verdichtung im Bestand, Aufzonung, punktuelle Verdichtung und Transformation. Letztere Strategie bietet hierbei das grösste Potenzial, da sich riesige Industrieareale oder Bahnareale umnutzen lassen, so Beat Aeberhard, Leiter S&A im Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt.

Basels Wirtschaftswachstum ist das eine. Gleichzeitig «haben wir Flächen zur Verfügung wie noch nie», sagt Thomas Waltert, Projektleiter Gesamtentwicklung Basel Nord beim Planungsamt Basel. Heute gibt es in der Stadt sechs grosse Entwicklungs
areale: VoltaNord, Dreispitz, Am Walkeweg, Hafen, klybeckplus und Auf dem Wolf. «Aufgrund seiner Geschichte hat jedes Gebiet seine eigene Ausgangslage», erklärt Aeberhard. «Deswegen untersucht die Stadt, was wo Sinn macht, und entwickelt jedes Areal entsprechend.» So soll beispielsweise das Dreispitz-Areal Grünraum und Hochhäuser verbinden, im klybeckplus geht es um das Öffnen der alten Industriebauten und Auf dem Wolf soll eine Smart City für Gewerbe und Wohnen entstehen.

Transformation am Basler Hafen
Seitdem klar ist, dass der Schweizerische Rheinhafen sich verlagern und die Hafen
bahn optimieren möchte, hat der Kanton Basel-Stadt die Möglichkeit, ein neues Stadtquartier am Hafen zu schaffen. Waltert äussert den Wunsch, «die Stadt wieder an den Rhein zu bringen». Laut ihm brauche der Hafen nicht am Wasser zu sein, die Infrastruktur könne auch an Land liegen. Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung ist das geplante dritte Hafenbecken, welches auf dem ehemaligen badischen Rangierbahnhof entsteht.

Mit dem Bau des Hafenbecken 3 und dem dazugehörigen trimodalen Containerterminal ist es möglich, eine effiziente Hafenlogistik an einem geeigneten Standort aufzubauen. Dadurch verlagert sich auch der Hafenbahnhof weg vom Rhein, zum neuen Hafenbecken. Für den Stadtteil Klybeck ergibt das zwei Möglichkeiten, erklärt Waltert: «Die Schienen entlang des Altrheinwegs zu reduzieren oder vollständig zu entfernen, damit Klybeck ganz am Rhein liegen kann». Die Verlagerung der Hafenlogistik bildet dementsprechend die Voraussetzung für die Transformation des HafenAreals und die dortige Stadtentwicklung. Ab 2022 plant die Stadt, mit den ersten Bausteinen anzufangen. Dazu gehören das ExEsso- und das ExMigrol-Areal.

Ein neuer und vor allem lebendiger Stadtteil lässt sich aber nicht einfach aus dem Boden stampfen. Aus diesem Grund gehören Zwischennutzungen heute vielerorts zur Stadtentwicklungsstrategie. Durch eine standortfördernde Zwischennutzung lässt sich herausfinden, wie tauglich dieses Gebiet ist und wie es sich mit dem Rest des bereits vorhandenen Quartiers verträgt. Denn die neuen Areale müssen sich gut in die bestehenden Quartiere einfügen – Zwischennutzungsprojekte können das antesten. Eine Strategie, die gleichzeitig das Image der Stadt aufwertet, da sie kulturelle Freiräume zur Verfügung stellen kann.

Ein Blick zurück
Aus diesen Gründen schrieben die Stadt Basel und die Schweizerischen Rheinhäfen 2012 das ExEsso-Areal und den angrenzenden Spazierweg zur Zwischennutzung aus, bevor es mit der städtebaulichen Transformation losgeht. 60 Projekte haben sich bei der Stadt beworben, acht davon hat der Kanton ausgewählt und unter den Verein I_Land zusammengefasst. Mit der Zwischennutzung verfolgt Basel die Absicht, «dem roughen Industrieareal bereits langsam eine andere Nutzung zuzuführen», erklärt Katja Reichenstein vom Verein ShiftMode. Sie betreibt mit ihrem Mann Tom Brunner die Zwischennutzung Holzpark Klybeck auf dem ExMigrol-Areal.

Für dieses Areal gab es nach dem Rückbau der Migrol-Tanklager 2015 keine offene Ausschreibung, sondern die Stadt hat gezielt fünf Kollektive angefragt, ein Konzept einzureichen. «Wir waren damals die Einzigen, die den Wagenplatz als Nachbarn akzeptiert haben», erinnert sich Reichenstein. Entsprechend hat sich die Stadt für den Verein ShiftMode entschieden, mit der Hoffnung, dass sie sich mit den Besetzern auf dem Wagenplatz arrangieren und möglichst schnell mit einem kulturellen Programm starten. «Aber durch den Widerstand und die Aufruhren auf dem Wagenplatz war es uns zu Anfang unmöglich, etwas zu machen», so Reichenstein.

Die Zwischennutzer
Eineinhalb Jahre hat es gedauert, bis die ersten fünf Projekte auf das ExMigrol-Areal gezogen sind. Ziel von ShiftMode ist es, durch die Projekte ein rein kulturelles Programm zu gestalten, ohne dass es zu einem kommerziellen Ort wird. Hier spielt dem Verein der Umstand in die Hände, dass er nur eine Umsatzmiete – einen fixen Prozentsatz des Umsatzes – an die Stadt abgeben muss. Somit spielt es keine Rolle, wie viel Geld die einzelnen Projekte einnehmen. Im Gegensatz dazu muss der Verein I_Land eine fixe Jahresmiete zahlen. Deswegen finden auf dem ExEssoAreal kommerzielle Anlässe wie das Biker Festival und das Street Food Festival statt. «Das macht einen riesen Unterschied, wie man wirtschaftet», weiss Reichenstein. Hier konnte einerseits die Stadt, aber auch ShiftMode aus der Vergangenheit lernen. Heute stehen die beiden Vereine I_Land und ShiftMode an ganz unterschiedlichen Punkten. I_Land muss bereits langsam an den Rückbau denken und wie sich dieser finanzieren soll. Sein Vertrag läuft 2021 aus. Die Trendsporthalle wird dann zum Beispiel auf den Jugendsportplatz Erlenmatt ziehen. Was mit den anderen Projekten passiert, ist unklar. Anders bei ShiftMode: Der Verein hat jetzt weitere fünf Jahre Zeit, neue Projekte anzugehen. Das grösste ist der Kultur- und Veranstaltungsraum im Bauch eines alten Leuchtturmschiffes, das fast 70 Jahre vor der irländischen Küste lag. Im Juni kommt es über den Rhein gefahren, und ein Kran hebt es an Land. Das Loch für dieses Vorhaben ist bereits ausgehoben, in dieses wird der Bauch des Schiffes versenkt. 300 Leute haben in Zukunft in diesem Veranstaltungsraum Platz, «es soll aber kein zweites Nordstern¹ werden, sondern ist als Kultur- und Kunstbühne gedacht», beruhigt Reichenstein.

Für die Zwischennutzerin ist es wichtig, bei Veränderungen nicht zuzusehen, sondern selber Ideen einzubringen und mitzuwirken, wenn ein neues Stadtquartier entsteht. Reichenstein sieht es folgendermassen: «Als Kulturschaffende sind wir auch ein Teil von der Stadt, von der Stadtentwicklung und von der Politik», und ergänzt, dass «man dabei jedoch seinen eigenen Hut aufbehalten muss und nicht versuchen sollte, es nur der Stadtentwicklung recht zu machen. Denn wir haben theoretisch später nichts davon, wenn wir am Ende der Zwischennutzungszeit alles abbauen müssen.»

Zukunftsvisionen
Die Zwischennutzung zeigt, dass die Basler das Areal annehmen. In Zukunft soll ein lebendiges Quartier am Rhein entstehen. Der Rückbau der Hafenbahn soll «die heutige Barrieresituation aufbrechen», so Waltert. Wo heute die Schienen verlaufen, soll wieder ein Nebenarm des Rheins fliessen und Brücken das heutige KlybeckQuartier mit dem neuen Quartier verbinden. Das wünscht sich auch Reichenstein und ergänzt: «Horror wäre, wenn Wolkenkratzer vor dem Kybeck-Quartier in die Luft ragen und es nichts mehr mit dem zu tun hat, was das Klybeck ausmacht: nämlich Industrie, Kleingewerbe, Kultur, Lärm und Durchmischung».

Aber die 45-Jährige weiss auch, dass Basel verdichtet bauen muss, weil die Stadt wenig Platz zur Verfügung hat. Ein Teil der Bevölkerung sorgt sich zudem, dass ausschliesslich teurer Wohnraum entsteht und in Zukunft die Klybeckinsel nur privilegierten Schichten zur Verfügung steht. Waltert verweist auf den Kantonalen Richtplan, welcher besagt, dass mindestens ein Drittel preisgünstiger Wohnraum in den Arealentwicklungen entstehen muss. Für ihn sind «der Rhein und die Promenade mit die stärksten Elemente in Basel», und folglich wird auch die Rheinpromenade weiter ausgebaut. Die Zwischennutzer hoffen unterdessen, dass sie die Aufwertung entschleunigen können. «Die Gentrifizierung sollte organisch und mit Einbezug von dem, was es bereits gibt, stattfinden. Wenn am Hafen schon Leben entstanden ist, macht es für die Stadt wenig Sinn, dort Tabula Rasa zu machen», findet Reichenstein und wünscht sich, «dass das Schiff bleiben kann».

Anmerkung
1) Ein Basler Club für Techno und elektronische Musik im Bauch eines Schiffes

www.hafen-stadt.ch
www.shiftmode.ch
www.holzpark-klybeck.ch
www.i-land.ch