Hier stehen die Türen für Investitionsherausforderungen offen.

Gerade kleine Unternehmen, auch in der Baubranche, brauchen strategische Unterstützung, um Megathemen, wie die digitale Transformation oder nachhaltige Marktlösungen innovativ und für sich passend zu lösen. Die Bank WIR bietet hier seit Jahrzehnten viel mehr als «nur» Kredite in ihrer Komplementärwährung. Wir führten dazu ein Interview mit Bruno Stiegeler, dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung der Bank WIR.

Von der Geschichte her sind Sie ein Krisenbewältigungsunternehmen. Mitte der Dreissigerjahre des letzten Jahrhunderts traf die Wirtschaftskrise auch die Schweiz hart. Mit der Einführung der WIR-Komplementärwährung konnten Krisen-Auswirkungen abgepuffert werden. Ist dies zusammengefasst Ihr Gründungsauftrag? Heute haben viele Unternehmen mit der Pandemie zu kämpfen. Lindern Sie auch heute wieder Krisen?
Der erste Teil der Fragestellungen ist richtig, der zweite zielt aber in die falsche Richtung. Das WIR-System als Komplementärwährung – als Krisenrezept – ist eine Erfolgsstory gewesen. Die Schweizer KMU-Verantwortlichen, die hier Mitte der Dreissigerjahre des letzten Jahrhunderts innovativ agiert haben, konnten Arbeit und Produkte besser verkaufen. Ziel war es, Geld nicht zu horten, sondern im Umlauf zu halten. Heute sind wir in einer völlig anderen Situation. Die Bank WIR ist eine schweizerische Genossenschaftsbank, gesamtschweizerisch tätig, und heute vorwiegend im Schweizer-Franken-Geschäft zu Hause. 90 Prozent der Geschäftstätigkeit findet operativ mit Schweizer-Franken-Produkten und mit Schweizer-Franken-Finanzierungen statt. Der WIR-Anteil beträgt aktuell zehn Prozent.

Diese Aussage überrascht. Sie werden in weiten Teilen der Öffentlichkeit ausschliesslich mit dem Produkt WIR assoziiert. Die Debatte läuft dann meist an dem Argumentationsstrang «Was bringt mir das?» entlang.
Das ist ein völlig verengter Blickwinkel. Wir haben viele Produkte – und eines davon ist die Komplementärwährung WIR. Das betonen wir auch in unserer Marke: Diese heisst nicht mehr WIR Bank, sondern Bank WIR und bildet damit die Realität ab. Oder anders ausgedrückt: WIR ist ein Produkt unter vielen, was aber nicht heissen soll, dass wir die weltweit einzigartige Währung vernachlässigen. Vom Rahmen her sind wir eine bodenständige Genossenschaftsbank, die 87 Jahre Erfahrung mit Schweizer KMU in die Waagschale werfen kann, seit über 20 Jahren auch Privatkunden begeistert und sehr innovativ ist.

Können Sie dieser Skizze ein paar Konturen geben?
Wir sind beispielsweise in der Baubranche stark verankert – ja, wir sind eine typische Baubank. Dazu gehören Baukredite mit und ohne WIR. Fakt ist, dass das aktuell tiefe Zinsniveau den Vorteil von Finanzierungen in der WIR-Währung deutlich reduziert – entsprechend stehen Franken-Finanzierungen im Vordergrund. Aber das Zinsumfeld kann sich auch wieder ändern.

Stehen Sie da nicht, wenn Sie nun eine «normale» Bank repräsentieren, im Wettbewerb mit Kantonalbanken oder der Raiffeisenbank? Auch die grossen Banken der Schweiz betonen ihre KMU-Affinität. Wie finden Sie da Ihre Marktposition?
Wir sind selbst ein KMU, wissen und spüren, wie ein KMU funktioniert, wir sind nah an unseren Kunden – und unsere Beraterinnen und Berater können gerade bei Finanzierungfragen mit dem Kunden massgeschneiderte Lösungen definieren. Diese Stärke spielen wir in der ganzen Schweiz aus. Der Dreiklang heisst: lokal, regional, national. Im Gegensatz zu grösseren Playern können wir pragmatische Lösungen anbieten. Das Zünglein an der Waage ist unsere Komplementärwährung, mit der wir einen Teil der Finanzierung ergänzen können – beispielsweise mit unserer «Mehrwert-Hypothek WIR», bei der wir, im Zeitraum von fünf Jahren, dem Kunden einen Negativzins von 1.5 Prozent ausbezahlen. Das ist einzigartig, ein sogenannter «Gamechanger» – das ergibt in der Summe einen attraktiven Finanzierungsmix.

Welche Angebote gibt es bei Themen wie Sparen, Vorsorge und Finanzierung? Das überlappt dann auch in den privaten Sektor.
Seit 2017 gibt es mit Viac eine digitale Wertschriftenlösung für das Vorsorgesparen aus unserem Hause. Übrigens war dies die erste derartige Lösung in der Schweiz. Mittlerweile gibt es einige Nachahmer und Kopierer. Auf jeden Fall sind dies Produkte, die die Akteure der Baubranche ansprechen, gerade wenn es um die zweite und dritte Säule der Vorsorge
geht. Heute hat Viac rund 56’000 Kunden mit einem Vermögen von 1.6 Milliarden Franken – und ist somit das erfolgreichste Vorsorgeprodukt in der Schweiz. Die in Liquidität, sprich Cash, gehaltenen Gelder wiederum ermöglichen uns als Bank WIR die Refinanzierung für viele spannende Bauprojekte.

Wie sieht es beim Thema Digitalisierung der Baubranche aus? Hier gibt es einen von einigen Seiten prognostizierten Aufholbedarf. Wie stellt sich Ihr Haus dazu auf?
Es braucht ohne Frage Investitionen bei Hardware und Software, Building Information Modeling, kurz BIM, ist da nur das bekannteste Stichwort. Auch auf Baustellen selbst, in Form von modernen Baggern oder Lastwagen herrscht Handlungsbedarf. Hier stehen bei uns Lösungen wie Investitionsfinanzierungen zur Verfügung. Weitere Vorhaben können im Rahmen unserer Tochterfirma IG Leasing realisiert werden. Darüber finanzieren wir zum Beispiel Digitalisierungsprojekte. Leasing kann in der Baubranche eine sinnvolle Variante sein.

Beim Thema Digitalisierung kommt es sicher auch auf ein gutes Netzwerk an.
Unsere Kundschaft bildet die KMU-Realität recht gut ab. Deshalb pflegen wir beispielsweise seit drei Jahren eine enge Partnerschaft mit der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), die sich ebenfalls dem Thema «Digitale Transformation in KMU» verschrieben hat. KMU-Verantwortliche und die Bank WIR brauchen den Austausch mit der Wissenschaft, mit Experten. Dazu beteiligen wir uns an Studien und organisieren auch Veranstaltungen, die es im nächsten Jahr endlich wieder geben wird. Auf den ersten Blick haben es kleinere Player bei der digitalen Transformation schwerer. Das ist aber nicht ein natürlicher Zustand, der einfach akzeptiert werden sollte, sondern eine Situation, die man ändern kann. Dazu tragen wir bei. Die Bank WIR gibt den Verantwortlichen in Zusammenarbeit mit der FHNW Strategielösungen mit an die Hand.

Kommen wir nochmals zum Thema WIR als Währung zurück. Worin besteht der Unterschied zu einer Kryptowährung?
Der Vergleich hinkt. WIR ist immer ein Modul im Rahmen einer Paketlösung. Lassen Sie mich ein Praxis- und Rechenbeispiel machen: Ein Unternehmer benötigt für einen Neubau 800’000 Franken – davon werden beispielsweise zehn Prozent als WIRKredit gesprochen. Diese 80’000 WIR sind also durch Grund und Boden, durch einen Realwert gedeckt. Demgegenüber besteht Bitcoin aus Luft. Der Umsatz bei WIR beträgt aktuell rund 600 Millionen Franken pro Jahr, davon wurden im Bau- und verarbeitenden Gewerbe im vergangenen Jahr 226 Millionen Franken umgesetzt. Dies entspricht unter dem Strich einem Milliardenvolumen. Das ist kein Rechenfehler: Im Zusammenhang mit Bauen wird nämlich in aller Regel nur ein Teil des gesamten Auftrags in WIR verrechnet; im Schnitt sind es etwa fünf Prozent. Die erwähnten 226 Millionen WIR-Franken bedeuten folglich ein gesamtes Auftragsvolumen von über 4.5 Milliarden Franken, das dank des Einsatzes von WIR, allein im Bausektor jährlich bewegt wird. Um es klar zu betonen: Die Bank WIR hält an WIR fest. Die Währung ist ein Bestandteil unserer Diversifizierung – und wenn die Zinsen steigen, dann wird WIR auf Grund des Zinsvorteils bei Investitionen automatisch eine höhere Nachfrage erleben.

Sie haben Bitcoin als «Luft» bezeichnet: Jetzt steckt aber hinter den Kryptowährungen eine Technologie. Wie ist Ihre Positionierung zum Thema Blockchain?
Sehr viel positiver. Man muss zwischen einer Währung und der Technologie, die dahintersteckt, unterscheiden. Mit Blockchain lohnt sich eine Auseinandersetzung. Hier können wir unsere innovative Kraft beweisen. Wir arbeiten an einem Projekt, bei dem Blockchain und WIR zusammenkommen könnten.

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