Die Maschinenkulturen des 19. Jahrhunderts in einem modernen Glasmantel. (© David Vintiner)

Die Kombination von Alt und Neu ist für Architekten immer eine spannende Herausforderung. Das Architekturbüro Finkernagel Ross (Hamburg / London) hat für die Interpretation von Design und architektonischer Exzellenz ein Gespür entwickelt. Form, Funktion, Textur und Innovation, aber auch die Ästhetik von Licht und Raum erstrahlen in einer emotionalen Leidenschaft. Die folgenden Seiten verdeutlichen diese Philosophie anhand der Sanierung eines Industriebaus des 19. Jahrhunderts. Man kann sich inspirieren lassen.

Nach mehr als einem Jahrzehnt haben Finkernagel Ross die architektonische Erneuerung und Aufarbeitung des öffentlichen Profils der Stahlwerk Augustfehn GmbH abgeschlossen. Das
traditionsreiche Unternehmen in Norddeutschland zeigt sich nun als gelungene Kombination von deutscher Industriebautradition und zeitgenössischer Architektur.

Seit 2006 arbeitet das Stahlwerk Augustfehn mit den Architekten zusammen, um die Fabrik, die aus dem 19. Jahrhundert stammt, zu renovieren. Um die industrielle Geschichte des Stahlwerkes zu erhalten und zelebrieren, haben Finkernagel Ross, neben der Integration von
neuen Produktionsmöglichkeiten, die historischen Artefakte des Werkes restauriert und im Sinne eines öffentlich zugänglichen Freilichtmuseums ausgestellt. Dazu gehören die ehemalige Fabrikuhr, mehrere Schmiedehämmer und eine Dampfmaschine aus dem Jahr 1902 – die letzte bis heute funktionierende.

Finkernagel Ross haben im letzten Jahrzehnt mehrere neue Gebäude für das Stahlwerk Augustfehn, im Einklang mit den Wünschen und Vorgaben des Bauherrn, entworfen und gebaut. Im Jahr 2009 wurde die Neue Hammerhalle errichtet und drei Jahre später folgte der Stahlwerk- Anbau. Ende 2017 wurde auch der Bau der Aufstockung des Verwaltungsgebäudes abgeschlossen.

NEUE HAMMERHALLE
Die Neue Hammerhalle ist das wichtigste Produktionsgebäude des Stahlwerks und behaust eines der Hauptaggregate. Finkernagel Ross wurden eingeladen, die bestehende Fabrikanlage mit dem grossen Schmiedehammer zu überholen. Im Ersatz für die in die Jahre gekommene Bestandshalle von 1900 entwarfen Finkernagel Ross eine 2 100 Quadratmeter grosse Fabrikhalle für die Produktionsanlage inklusive des – den Projektnamen bildenden – Schmiedehammers. Hinter der Herangehensweise an das Projekt stand eine enge Auseinandersetzung mit dem Ort und der Umgebung sowie der Bestandsbebauung. Auf einem Sockel im ortstypischen roten Klinker steht die vertikal gegliederte Fassade in Industrieglas. Hinter der transluzenten Hülle offenbart sich der konstruktive Stahlrahmen und lässt den Betrieb der Stahlproduktion im Innern auch von aussen ablesen.

STAHLWERK ANBAU
Nach erfolgreicher Transformation der Neuen Hammerhalle wurden Finkernagel Ross erneut von dem Bauherrn beauftragt. Diesmal um eine passende Einhausung einer durch den Abriss des ruinösen Altbestandes obdachlos gewordenen Dampfmaschine aus dem 19. Jahrhundert
zu finden. Das Ziel des Projektes war, dieses aussergewöhnliche Industrieobjekt – das Einzige noch funktionsfähige seiner Art – öffentlich zur Schau zu stellen undsomit nicht zuletzt auch das Firmenprofil des Stahlwerks aufzuwerten.

Auskragend über einem Betonsockel ist die Dampfmaschine in einem Glasschaukasten ausgestellt. Dieser formt Teile der in ein Freilichtmuseum ausrangierte Produktionsmaschinen
vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Das Ensemble ist um das Bürogebäude des Stahlwerks angesiedelt. Eine rahmenlose Festverglasung umhüllt die Dampfmaschine und lässt diese eher als delikates Artefakt statt schwerer Maschinerie erscheinen. Die sichtbaren Stahlstützen
wurden statisch so dimensioniert und im Stahlwerk angepasst, dass diese in der Mitte leicht konisch zulaufen und somit die Wahrnehmung der Leichtigkeit des Daches und der Struktur unterstreichen. Als Gegenpol der transparenten Öffnung zur Strasse gibt sich das Gebäude nach hinten geschlossen. Teil des Raumprogramms sah vor, hier neue Toilettenräume für die Mitarbeiter der Verwaltung zu realisieren. Der Anbau wurde im Jahr 2012 in sechsmonatiger Bauzeit errichtet und im Juni in Verbindung mit dem 140-jährigen Bestehen des Unternehmens feierlich eingeweiht.

STAHLWERK-AUFSTOCKUNG
Baubeginn des dritten Projektes, der Aufstockung des Verwaltungsgebäudes der Stahlwerk Augustfehn GmbH, war im April 2016 und wurde im Dezember 2017 erfolgreich abgeschlossen. Ziel war es, durch einen neuen Dachaufbau auf dem bestehenden Gebäude aus den 1950er- Jahren zusätzliche Büros sowie einen Konferenzraum zu schaffen und dieses gestalterisch in das Gesamtensemble zu integrieren und somit zu komplettieren.
Das traditionelle Satteldach wurde optisch sanft angehoben, und unter dieser Zinkdecke
kommen die transparent gehaltenen Büros zum Vorschein. Die originale Fabrikuhr sowie die dazugehörigen Glocken wurden sorgfältig aufgearbeitet und in die Glasfassade integriert. Finkernagel Ross waren nicht nur als Architekten, sondern auch als Projektmanager und Innenarchitekten involviert und haben mit ihren Büros in London und Hamburg alle Gewerke des Projektes direkt ausgeschrieben, vergeben und koordiniert.

STAHLWERK REPORTAGE
In einer Kollaboration mit dem Londoner Fotografen David Vintiner haben Finkernagel Ross eine fotografische Reportage ihrer Arbeit am Stahlwerk Augustfehn zusammengestellt.
Diese kombiniert architektonische Modelle mit dem Kollektivgedächtnis der Einwohner, dem Ort, der Architektur und der Industrie. Diese einzigartigen Emotionen werden in diesem Bild- und Filmmaterial widergespiegelt. Die Bilder zeigen nicht nur die Geschichte des Stahlwerks, sondern auch die sorgsame Herangehensweise von Finkernagel Ross an die Darstellung von
Erinnerungen und Historie sowie architektonischem Kontext in ihrer preisgekrönten
Arbeit. Diese Reportage schafft es, genau die Werte zu präsentieren, die Finkernagel
Ross bei all ihren Projekten begleiten. Tradition, Handwerk, Innovation und Ästhetik.

www.finkernagelross.de
www.stahlwerk-augustfehn.de