(© Moritz Bernoully)

Das Bürohochhaus «Torre Reforma» in Mexiko-Stadt gewinnt den Internationalen Hochhaus Preis 2018. Der Preisträger und die weiteren Finalisten können auch für die Schweiz als Inspiration dienen. Wir thematisieren eine kurze Geschichte der Hochhäuser in der Schweiz, stellen den Sieger vor und präsentieren im Anschluss die Finalisten als Fotostrecke.

Hochhäuser waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts in erster Linie in den USA ein Thema. Dort schossen in New York die Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden. In Europa und auch in der Schweiz tastete man sich an das Thema eher vorsichtig heran. Am Aeschenplatz in Basel errichteten die Gebrüder Ernst und Paul Vischer 1929 / 30 ein Gebäude für die Basler Lebensversicherung. Der achtgeschossige, quadratische Eckturm wirkte aber eher verspielt als wuchtig und hoch. In den Sechziger- und Siebzigerjahren kam das Thema Hochhaus nochmals auf die Agenda der Stadtplaner und Architekten. Man baute Hochhäuser, um
billigen Wohnraum zu schaffen. Das war nicht wirklich schön anzusehen, und das Argument der drohenden Verslumung machte die Runde. Nach einigen verlorenen Volksabstimmungen war das Thema Hochhaus vom Tisch.

EIN NEUER ANLAUF
Erst zu Beginn des neuen Jahrhunderts tauchte das Thema wieder auf. Aufgrund fehlender Flächen in urbanen Zentren kamen Planer wieder auf die Idee, den Weg nach oben zu nehmen. Die revidierte Bau- und Zonenordnung machte es wieder möglich, in die Höhe zu planen. Zudem bieten die grossflächigen alten städtischen Industrieareale, die ihre klassische Bedeutung verloren haben, die Chance, den Blick zu weiten. In Zürich sind die früheren
Sunrise-Türme im Leutschenbachquartier 2005 die Vorboten der zweiten Hochhauswelle
der Schweiz, die bis heute immer neue Dimensionen annimmt. 2011 bekam das äussere Industriequartier mit dem Prime Tower und dem Mobimo Tower neue städtebauliche Zeichen.

In Basel sollen auf dem MParc-Areal drei bis zu 160 Meter hohe Wohntürme künftig die Nordspitze des Basler Dreispitz-Areals prägen. Das ist rund doppelt so hoch wie die aktuell höchsten reinen Wohnhäuser in der Schweiz (vergleiche Interview dazu in Ausgabe 4 / 2018 von bauRUNDSCHAU). Bürohochhäuser sind da schon weiter. Auf dem Roche-Areal sollen zukünftig drei Hochhäuser stehen, die den Messeturm mit seinen 105 Metern deutlich überragen. Direkt neben dem bereits fertiggestellten und aus der ganzen Stadt sichtbaren Bau 1 mit seinen 178 Metern Höhe wird der 205 Meter hohe Zwillingsturm hochgezogen und bald das höchste Gebäude der Schweiz sein. Ein drittes Roche-Hochhaus kommt dann noch dazu. Mitbewerber Novartis steht ebenfalls in den Startlöchern für den Hochhausbau.

ASPEKTE FÜR DEN PREIS
Der Hochhaustrend in der Schweiz sollte den Blick über den nationalen Tellerrand weiten. Denn Hochhäuser müssen nicht langweilige Kästen sein und bieten auch technologisch einige Highlights. Daher kommt der internationale Preis zum Zug. Der Internationale Hochhaus-Preis (IHP) wurde 2003 gemeinsam von der Stadt Frankfurt am Main, dem Deutschen Architekturmuseum und der DekaBank initiiert und 2004 zum ersten Mal vergeben. Seitdem wird er alle zwei Jahre kooperativ organisiert und finanziert. Somit fand im letzten Jahr die Preisverleihung in der Frankfurter Paulskirche zum achten Mal statt. Der IHP richtet sich an Architekten und Bauherrn, deren Gebäude mindestens 100 Meter hoch sind und in den vergangenen zwei Jahren fertiggestellt wurden. Auf dem Weg zur Entscheidung ging es in der breiten Diskussion der Jury unter anderem darum, wie ein Hochhaus zum Stadtgefüge und urbanen Leben beiträgt. Darüber hinaus wurden unter anderem folgende Aspekte analysiert: die übergreifende Aussage, die skulpturalen Qualitäten, das statische Konzept, die Nutzungsmischung sowie die Balance zwischen Wirtschaft und Kultur.

Aus über 1 000 Hochhäusern, die innerhalb der letzten zwei Jahre weltweit fertiggestellt
wurden, hatte das Deutsche Architekturmuseum (DAM) 36 herausragende Gebäude aus 15 Ländern nominiert. Eine internationale Expertenjury aus Architekten, Tragwerksplanern und Immobilienspezialisten unter der Leitung von Kai-Uwe Bergmann, Partner des IHP-2016-Gewinners BIG – Bjarke Ingels Group –, wählte daraus fünf Finalisten. Das Finale um den Internationalen Hochhaus Preis (IHP) wurde im November 2018 entschieden: Der Büroturm «Torre Reforma» in Mexiko-Stadt von L. Benjamín Romano gewann den mit 50’000 Euro dotierten Wettbewerb um das weltweit innovativste Hochhaus.

EIN SIGNIFIKANTES ERSCHEINUNGSBILD
Mexiko-Stadt ist auf der Weltkarte der wegweisenden Hochhausarchitektur angekommen.
Entgegen dem weltweit andauernden Trend hin zum Wohnturm sowie zu immer grösseren mischgenutzten Projekten in Asien ist der diesjährige Preisträger grösstenteils ein Bürogebäude mit zusätzlichem Restaurant und Fitnesscenter. Dabei ist
allerdings nur die Art der Nutzung konventionell. Die in Mexiko-Stadt herrschende Erdbebenproblematik erfordert ein kluges Tragwerkskonzept, das dem 246 Meter hohen Büroturm sein signifikantes Erscheinungsbild verleiht. «Torre Reforma» von L. Benjamín Romano bringt Mexikos Hauptstadt damit auf die Weltkarte wegweisender Hochhausarchitektur. Ein nicht minder spannender Aspekt ist der ungewöhnliche Weg der Projektfinanzierung. Die Investorengruppe Fondo Hexa, S. A. de C. V. betrachtet ihre Projekte als langfristige Kapitalanlage und setzt deswegen auf eine besonders sorgfältige Planung, hochwertige Materialien und perfekte Details. So beeinflusst dieser vorausschauende wirtschaftliche Ansatz auch den architektonischen Entwurf positiv und könnte über Mexiko
hinaus als Blaupause für erfolgreiche Projekte ebenso in der Schweiz dienen. Wie ein
riesiger urbaner Obelisk oder ein geöffnetes Buch zwischen zwei Sichtbetonwänden hebt sich der «Torre Reforma» von den umliegenden Hochhäusern ab, nicht nur wegen seiner Höhe. Benjamín Romano hat mit den massiven Wänden an die baulichen Traditionen
der Azteken angeknüpft und diese modern interpretiert. Der «Torre Reforma» war das Gebäude, das sowohl die Ingenieure als auch die Architekten in der Jury am stärksten begeisterte – als meisterhafter Ausdruck eines neuen Nachdenkens über das Hochhaus und somit als würdiger Preisträger. Es ist ein Gebäude, das in den Augen der gesamten Jury all das verkörpert, was sich Benjamín Romano selbst zum Ziel gesetzt hat: Nachhaltigkeit, modernste Technologie und gut strukturierte Räume kunstvoll miteinander zu verbinden.

Während der Preisverleihung wurden auch die übrigen vier Finalisten geehrt:
• MahaNakhon (Bangkok / Thailand) von Büro Ole Scheeren, Bangkok / Thailand
und OMA Office for Metropolitan Architecture, Peking / China.
• Beirut Terraces (Beirut / Libanon) von Herzog & de Meuron, Basel / Schweiz.
• Chaoyang Park Plaza (Peking / China) von MAD Architects, Peking / China.
• Oasia Hotel Downtown (Singapur) von WOHA, Singapur.

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