© Ateliers Jean Nouvel / Megalou Jean Nouvel, Emmanuel Cattani, Winterthur, 1992–2001

Das S AM Schweizerisches Architekturmuseum zeigt vom 25.November 2023 bis 7.April 2024 die Ausstellung «Was wäre wenn – Ungebaute Architektur in der Schweiz».

DAS WICHTIGSTE IM ÜBERBLICK
Wenige Länder geben ihrer Bevölkerung ein derart weitreichendes demokratisches Mitbestimmungsrecht bei der Umsetzung von Architektur und Städtebau wie die Schweiz. Dies hat einerseits eine weltweit einmalige demokratisch getragene Architektur hervorgebracht, andererseits aber auch zahlreiche Projekte einer möglichen Baugeschichte des Landes verhindert.

Ob verloren, verneint, versackt oder verändert – es gibt eine Unzahl an Architekturentwürfen, die in der Schweiz bis heute von sich reden machen, obwohl sie nie ausgeführt wurden. Diese herbeigesehnten, aber nicht realisierten Werke sind keine Einzelschicksale, sondern gehören zum Alltag jedes noch so erfolgsverwöhnten Architekturbüros.

Im Dialog mit fast zwei Dutzend Architekturinstitutionen aus allen Landesteilen präsentiert die Ausstellung «Was wäre wenn» eine repräsentative Auswahl aus diesem schier unendlichen Fundus. Die Summe der Projekte zeichnet das Bild einer alternativen Schweiz, in der der Mut zur Utopie grösser ist als die Angst vor Fehlern.

Kurator: Andreas Kofler, S AM

DIE AUSSTELLUNG
Unser Leben wird von einer Vielzahl bewusster und unbewusster, rationaler und irrationaler Entscheidungen bestimmt, die wir selbst treffen oder die andere fällen. So wie wir, gehen auch Architekturprojekte einen nicht-linearen Weg: Sie schreiten voran, zweigen ab, kehren um oder bleiben stehen. Tatsächlich wird viel mehr Architektur entworfen als letztendlich gebaut. Selbst in einem Land wie der Schweiz mit ihrer intensiven Bautätigkeit stellt das Gebaute also nur die Spitze des Eisbergs dar. Die Ausstellung «Was wäre wenn» lenkt die Aufmerksamkeit auf den schlafenden Riesen unter der Oberfläche, denn möglicherweise verkörpert er das Wesen der Architektur noch mehr als das, was materielle Gestalt annimmt.

BEOBACHTUNGEN ZUR AUSSTELLUNG
Ungebaute Projekte leisten einen unerwartet hohen Beitrag zur räumlichen Kultur. Architektinnen und Architekten erkunden damit unter anderem das Limit des Machbaren, Tolerierbaren und Realisierbaren. Viele Entwürfe sind zu aufschlussreichen Experimenten geworden, deren Mut regelrecht ansteckend ist. Das durch diese Ausstellung generierte Alternativbild einer Schweiz, die es nie gegeben hat, ist von grossem Wert für die Betrachtung der heutigen gebauten Schweiz und ihrer Entscheidungsprozesse. Es zeigt das Vertraut-Unvertraute und untersucht den emotionaltraumatischen Moment einer unterbrochenen Handlung.

«Doch diese spannende Projektabfolge ist weder eine von Italo Calvino herbeigesehnte Stadt noch eine mögliche Blaupause für unsere herausfordernde Zukunft», erklärt Ausstellungskurator Andreas Kofler: «Auch in dieser Parallelwelt wird gerodet, abgerissen, betoniert, verbraucht, zersiedelt. Es ist ein Land, das vorwiegend von Männern geplant und gebaut wurde, die bis zu einem gewissen Punkt sogar exklusiven Zugang zur direkten Demokratie hatten. Unsere Alternativschweiz amplifiziert also nicht nur die Wünsche, Ambitionen und den Mut, sondern auch die mit der jeweiligen Zeit verbundenen Unkenntnisse und Defizite.»

Aber es wäre unfair, sie pauschal zu verurteilen, denn – vereinfacht gesagt – man ist im Nachhinein immer schlauer. Diese Zeitreise soll uns hingegen dazu anregen, darüber nachzudenken, wie zukünftig auf unsere heutigen Entscheidungen und Handlungen zurückgeblickt werden wird. Unser Zeitalter des Wissens verlangt ein Handeln auf der Grundlage dieses Wissens, wobei der Schwerpunkt der Architektur eher auf der Transformation des Bestehenden als auf dem Neuen liegen sollte. So sind wir uns bewusst, dass die Projekte in dieser Ausstellung paradoxerweise die klimaneutralsten sind, die wir bisher im S AM gezeigt haben. Denn sie wurden nie gebaut.

S AM Schweizerisches Architekturmuseum | Steinenberg 7 |CH-4051 Basel |
Tel.+41(0)61 261 14 13 | info@sam-basel.org | www.sam-basel.ch