Ein Meilenstein im Bau von Talsperren: die 1932 in Betrieb genommene Spitallamm-Mauer an der Grimsel.

Gruner bietet ein umfassendes Dienstleistungsangebot für private und öffentliche Bauherren an. In den Bereichen Hochbau, Infrastruktur und Energie beraten und unterstützen die Verantwortlichen Kunden von der strategischen Planung bis zur Inbetriebnahme von Gebäuden und Infrastruktur. Gleichzeitig bewegt sich Gruner in einem kompetitiven Umfeld, und Anfang des Jahres ist ein Prozess zur Umorganisierung angestossen worden. Wir führen dazu ein Interview mit dem neuen CEO Olivier Aebi.

Sie kommen aus einem Unternehmen mit 300 Mitarbeitern. Jetzt sind Sie seit 1. Februar 2019 in einem Unternehmen mit 1000 Mitarbeitern. Im ersten Fall kennt man noch jedes Gesicht. Jetzt sicher nicht mehr. Haben Sie den Kulturschock schon überwunden?
Gruner ist zwar wesentlich grösser wie meine frühere Firma, aber bei Gruner ist mir von Anfang an ein familiärer Spirit begegnet. Wir gehören zu den grössten Planungsunternehmen in der Schweiz, aber wir arbeiten nicht in einer Konzernstruktur. Gruner ist ja selbst aus vielen kleinen Unternehmen entstanden und nicht als grosser Player auf die Welt gekommen.

Nun wird eine modifizierte Führungs- und Organisationsstruktur eingeführt. Aus der Gruner Gruppe wird Gruner. Was steht dahinter für eine Zielsetzung?
Am 1. Juli diesen Jahres haben wir die neue Managementorganisation vorgestellt. Im Prinzip geht es darum, die Organisation von Gruner an den Kundenbedürfnissen auszurichten. Wir haben sogenannte Business Units mit spezifischen Leistungs-, Kunden- und Geografie-Sektoren definiert. Diese werden in Geschäftsbereiche entlang von Kundensegmenten zusammengefasst. Es gibt dabei drei Geschäftsbereiche: Hochbau, Infrastruktur und Energie. Wir waren bislang eine Gruppe von unterschiedlichen Unternehmen. Jetzt haben wir eine übergreifende Managementorganisation mit schlankerer Führung.

Es gibt jetzt ein Dach und darunter Gefässe, die auf Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind?
Genau. Es gibt die drei genannten Geschäftsbereiche, unter denen dann die Business Units mit thematischen und/oder regionalen Schwerpunkten agieren. So gibt es beispielsweise eine Business Unit «Konstruktion Ostschweiz» mit einem definierten, geografisch begrenzten Markt und eine Business Unit «Wasserkraft, Talsperren», die in ihrem Bereich weltweit Projekte plant und realisiert.

Stellt sich dadurch Gruner im Markt als Anbieter anders auf?
Nein, der Kunde hat den gleichen Vertrags- und Ansprechpartner. Langfristig versprechen wir uns noch mehr Kundennähe.

Jetzt gibt es aber Herausforderungen in Ihrer Branche, die man kaum segmentieren kann. So ist das Thema Digitalisierung, oder genauer BIM, sicher eine übergreifende Aufgabe. Welche Zeichen wollen Sie hier in der nächsten Zeit setzen?
Zum Thema BIM haben wir in allen Business Units Spezialisten, die in ihrem Bereich Expertenwissen vorzuweisen haben. Gruner handelt hier nach den Prinzipien der agilen Organisation. Das heisst, wir «verordnen» Innovation nicht top-down, sondern wir setzen auf dezentrale, projekt-, kunden- und marktnahe Plattformen, beispielsweise den BIM-Circle. Dort tauschen sich die Beteiligten schnell und professionell aus. Das Ziel ist das Verlassen einer vertikalen Organisation und damit eine Etablierung horizontaler, flacher und
vernetzter Organisationen. Die können sich viel agiler an den Themen ausrichten.

Das liegt ja im Trend der Zeit. Kein Unternehmensverantwortlicher verkündet heute öffentlich im klassischen Silodenken weiterarbeiten zu wollen. Flache Hierarchien soll es überall geben. Die Herausforderung, aus meiner Sicht, ist nur die, wie ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitnehme, die klassische Hierarchien gewohnt sind.
Gruner hat viele Mitarbeitende, die schon lange im Unternehmen arbeiten. Wir beschäftigen aber auch viele Personen, die erst kürzlich zu uns gestossen sind. Und diese Mischung, die uns ausmacht, wollen wir auf die gemeinsame Reise mitnehmen. Es gilt, die Beteiligten zu befähigen, sich in der neuen Philosophie zu bewegen. Und natürlich muss die Spitze des Unternehmens diese vorleben.

Gerade junge Generationen kommen mit solchen flachen Vernetzungsstrategien gut klar. Und wir wollen ja die jungen Talente gewinnen. Da braucht man als Arbeitgeber überzeugende Angebote. Klassisches Silodenken gehört garantiert nicht dazu.

Jetzt sind wir beim Thema Fachkräftemangel …
…Ja, wir wollen Menschen Chancen eröffnen und können dies auch. Man kann bei uns in der gesamten Schweiz und auch im Ausland tätig sein. Wir decken alle Fachbereiche ab. Man kann bei uns eine Managemententwicklung realisieren und man kann sich auf Fachbereiche oder im Projektmanagement spezialisieren.
Wie finden Sie diese jungen ausgebildeten Menschen? Diese werden ja auch von Mitbewerbern umworben. Wir sind vor Ort. Zum Beispiel beim ETHKontakttreffen, wo wir einen Stand betreiben. Dort führen wir Interviews zu den Erwartungshaltungen, was die Arbeitgeber betrifft. Der Rücklauf war in den letzten Jahren gut und interessant. Ohne Frage müssen wir um die jungen Talente kämpfen. Aber Gruner hat eine gewisse Visibilität, die uns hilft.

Kommen wir zu konkreten aktuellen Beispielen. Ein klassisches Infrastrukturprojekt zur Energiegewinnung in der Schweiz ist die Staumauer an der Grimsel. Sie wurde vor 90 Jahren realisiert. Jetzt soll sie, unter Mitwirkung von Stucky, dem Energiespezialisten von Gruner, in moderner Form neu realisiert werden. Wo liegen die Herausforderungen?
Ja, die Spitallamm-Mauer war damals ein Meilenstein für die Errichtung einer Bogengewichtsmauer. Sie wurde von 1925 bis 1932 realisiert. Noch heute eröffnet sich ein beeindruckendes Bild. Das war damals eine Pionierleistung. Die Mauer an der Grimsel ist eine der ersten grossen Bogengewichtsmauern, sprich, einer Mauer, die das Wasser einerseits durch ihr Gewicht und andererseits durch ihre Abstützung links und rechts im Fels zurückhält. Der berühmtere Hoover-Staudamm in den USA wurde erst einige Jahre später realisiert. Trotzdem brauchte es, im Vergleich zu heute, sehr viel mehr Handleistung und umständlichere Logistik. Die hochalpinen Verhältnisse waren und sind allein wegen der Witterungsverhältnisse eine weitere Herausforderung.

Heute, nach 90 Jahren, herrscht Sanierungsbedarf, und man hat sich für einen Neubau entschieden. Die neue Mauer wird unmittelbar vor der alten Mauer errichtet. Im Juni 2019 begann man nun mit dem Bau einer neuen, doppelt gekrümmten Bogenstaumauer, die unmittelbar vor der alten Mauer auf der talzugewandten Seite zu stehen kommt. Die alte Spitallamm-Mauer bleibt unverändert bestehen und wird später geflutet. Diese Lösung hat auch ökologische Gründe. Man kann Teile der alten Infrastruktur nutzen. Auch heute beinhaltet ein solches Projekt grosse Herausforderungen. Dann gibt es die klassischen Herausforderungen: Wohin geht man mit dem Aushub, und wie wird er abtransportiert? Auf jeden Fall ist es ein spannendes Projekt.

Es gibt aber sicher noch weitere Herausforderungen?
Ja, auch im Bereich der Kraftwerkszentralen gibt es Erneuerungs- und Sanierungsbedarf. Es geht um die elektro- und hydromechanische Ausrüstung wie Turbinen, Generatoren, Steuerung, etc. Viele Produktionsanlagen weltweit stammen noch aus dem Beginn des letzen Jahrhunderts. Neben der Sicherung der Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit bieten die heutigen Technologien und moderne Elektronik auch Potential für eine Leistungssteigerung. Aber auch mit einer Optimierung der Wasserführung kann eine höhere Produktivität erreicht werden.

In den nächsten Jahren gibt es auch in der Schweiz viel Modernisierungsbedarf bei Kraftwerksanlagen, und wir haben dazu das nötige Know-how an Bord.

Kommen wir zum zweiten Beispiel. Das Schorenareal in Arlesheim ist ein klassischer Industriestandort. Werfen wir zunächst einen Blick auf die städtebauliche Entwicklung. Früher wurden dort Lokomotiven und Generatoren hergestellt. Und in den nächsten Jahren bekommt Basel sein eigenes Silicon Valley. Ist das zu hoch gegriffen?
Wir sind nicht in Kalifornien bei Facebook oder Google. Das ist die falsche Etage. Wir haben aber in der Schweiz einige klassische Industrieareale, die jetzt im Zeichen der vierten industriellen Revolution auf neue Nutzungskonzepte warten. Das sind Orte, an denen sich Unternehmen mit neuen und innovativen Ideen wohlfühlen.

Es geht aber um Zukunftsprojekte im Rahmen von Industrie 4.0?
Das Kompetenzzentrum wird aus sieben Produktionshallen und 35’000 Quadratmeter Bürofläche bestehen, die bis 2025 auf dem 70’000-Quadratmeter-Areal realisiert werden. Die Bauten sind auf die hohen Anforderungen der industriellen, digitalen Produktion ausgerichtet. Damit eng verknüpft sind zum Beispiel das Internet der Dinge, Cyber Security, Elektromobilität, neue Batterietechnologie, Virtual Reality, Roboter-Technologie und 3-D-Druck. Das braucht auch klare und gleichzeitig flexible architektonische Lösungen. Darauf richten wir uns ein.

Was heisst dies konkret?
Es entsteht ein Ort, an dem Ideen Platz bekommen und Innovationen ausprobiert und produziert werden. Auch wird Gebäudeautomation hier auf dem neusten Stand realisiert.

Kommt das Projekt an?
Die ersten Mietverträge sind bereits unterschrieben. Mit Axians und Bouygues werden zwei grosse europäische Technologiekonzerne das erste Gebäude beziehen. Das sind Ankermieter mit Ausstrahlungskraft. Ein Innovationspark ist in Reichweite. 2000 Arbeitsplätze sollen dereinst entstehen.

Oftmals hat man das Problem, dass solche Projekte als Leuchttürme angedacht sind, aber als Kathedralen in der Wüste enden, da die Anbindung zum klassischen Wirtschaftsleben auf der Strecke bleibt.
Das glauben wir nicht. Natürlich sprechen wir von Visionen und von Zukunft. Dort wird sich keine Schwerindustrie mehr ansiedeln. Die Schweiz agiert aber auf hohem technologischem Niveau und ist zudem sehr kleinräumig aufgestellt. Das Areal ist ja eng an Basel angebunden.

Und welche Aufgaben übernimmt hier Ihr Haus?
Gegenwärtig ist das erste Gebäude im Bau, hier machen wir die Tragwerkspla
nung und den Brandschutz. Grundsätzlich haben sich speziell drei Anforderungen gestellt. Erstens ein sehr enges Timing. Zweitens grosse, flexible Räume ohne Säulen; dies wurde mithilfe aufwändiger, innerer und äusserer Stahlfachwerke gelöst. Und drittens höchster Brandschutz, auch wegen der zu erwartenden E-Fahrzeuge.

Wichtig ist, dass das Areal nicht in einem Wurf zugebaut wird, sondern wir in Etappen arbeiten. So kann man auf die Bedürfnisse der Mieter sehr viel flexibler eingehen. Die Baubranche ist konjunkturell ein anspruchsvolles Umfeld. Wie sichern Sie sich ab und können gleichzeitig nach vorne blicken?
Generell sind wir gut positioniert, um die Anforderungen von heute und morgen zu erfüllen. Unsere Organisation wird uns helfen, Entscheidungen nahe am Markt zu treffen und Innovationen im Unternehmen voranzutreiben und für unsere Kunden die bestmöglichen Lösungen zu erarbeiten. So sind wir gewappnet für das, was ist, und für das, was noch kommt.

www.gruner.ch