Die gelungene Kombination von Aussen- und Innenlösung verdeutlicht den Charme von Holz.

Das Bauen mit Holz erlebt einen eigentlichen Boom – und das in ganz neuen Dimensionen. In jüngster Zeit sind erste Hochhäuser mit Holz entstanden, und weitere stehen überall auf der Welt in Planung. Das derzeit höchste Holzgebäude der Schweiz steht in Risch-Rotkreuz. Es ist 60 Meter hoch.

Ein Hochhaus aus Holz? Geht das denn? Was bei einem Laienpublikum noch mehrheitlich ungläubiges Staunen hervorruft, ist mittlerweile Realität. Das zeigen die ersten in der Schweiz sowie in unseren Nachbarländern Österreich, Deutschland und Frankreich entstandenen Bauten. Und diese sind nur ein Ausschnitt der weltweit realisierten Projekte –
etwa in Kanada, Australien, England, den USA, Finnland oder Norwegen, das mit Mjøstårnet in Brumunddal mit 85.4 Metern Höhe den derzeitigen Weltrekord für das höchste Hochhaus in Holz hält.

Höhen-Ehrgeiz beim Bauen mit Holz ist jedoch definitiv nicht «the swiss way». Das erste Holz-Hochhaus hierzulande, der Büro-Zehngeschosser «S22», der im Juli 2018 auf dem Suurstoffi-Areal in Risch-Rotkreuz im Kanton Zug fertiggestellt wurde, ist mit seinen 36 Metern zwar baurechtlich ein echtes Hochhaus, aber keines, das mit internationalen Ikonen dieser Gattung um Rekorde wetteifern will. Es zeigt im Gegenteil, wie behutsam und solide die Holzbaubranche in der Nutzung der neuen Möglichkeiten vorgeht, welche die  Brandschutzvorschriften der neusten Generation eröffnen: Man sucht nicht auf Biegen und Brechen das Maximum um des Showeffekts willen, sondern entwickelt das Bauen mit Holz auf sicherem Grund Schritt um Schritt stetig weiter.

Rund 20 Jahre Forschung und Entwicklung stecken im heutigen Stand der Technik des hohen Bauens mit Holz, wie es heute in der Schweiz von den Marktführern umgesetzt wird. Die ersten Hochhäuser mit Holz stützen sich auf zehn Jahre Erfahrung im mehrgeschossigen Bauen bis sechs Geschosse. Anders gesagt: Die Schweizer Holzbaubranche macht keine Experimente. Was sie baut, ruht auf tragfähigem Fundament.

Hoch hinaus beim Bahnhof Rotkreuz
Auch das zweite Holz-Hochhaus der Schweiz – es ist unweit des ersten unter dem Namen «Arbo» auf demselben Areal in Risch-Rotkreuz im Verlaufe des Jahres 2019 fertig geworden – sucht keinen Dimensionssprung. Das Bürohaus für die Hochschule Luzern ist mit seinen 15 Geschossen und 60 Metern Bauhöhe das derzeit höchste Holzgebäude der Schweiz.

«Arbo» zeigt exemplarisch, was die Bedingungen sind, um ein solches Projekt zu realisieren: zum einen eine engagierte Bauherrschaft, die auf das Material Holz setzt, nicht zuletzt aus Gründen der Nachhaltigkeit, aber auch, weil sich mit dem Baustoff Holz Termine gut einhalten und Bauzeit einsparen lässt. Zum anderen Architekten, Ingenieure und Holzbauunternehmen, welche gestalterisch und technisch nach überzeugenden und innovativen Lösungen für die jeweilige Bauaufgabe suchen, auch in Kooperation mit Forschungspartnern der ETH oder der Fachhochschulen.

Pi in Zug, H1 in Regensdorf
Neben den beiden ersten Holz-Hochhäusern in Risch-Rotkreuz stehen weitere Hochhausprojekte in der Schweiz vor der Realisierung. Mit dem Projekt «Pi» plant die
V-ZUG Immobilien ein Wohnhochhaus mit Holz von 80 Metern Höhe, das mitten in Zug preisgünstiges Wohnen schaffen soll.

Der Entwurf von Duplex Architekten schlägt eine Vielfalt an Wohnungstypologien vor, die
erst durch das innovative Tragwerkskonzept und die konsequente Trennung von Primärund
Sekundärstruktur möglich wird: Tragend werden zwei ineinandergesteckte Röhren ausgebildet. Dieses «Tube-in-Tube-Prinzip» ist den berühmten Stahlrahmenkonstruktionen
aus dem Chicago der 1950er-Jahre nachempfunden und wird in eine zukunftsorientierte
Konstruktion aus Holz übersetzt.

Ein weiteres Hochhaus mit Holz, das in der Planung bereits weit fortgeschritten ist, soll in Regensdorf entstehen: Hier entwickelt Pensimo Management als Eigentümer- und
Bauherrenvertreterin auf dem Areal Zwhatt das Hochhaus «H1». Der Holzhybridbau
von Boltshauser Architekten soll dereinst 150 Wohnungen umfassen. Das Spektrum reicht von nutzungsneutralen Typologien bis zu Maisonettewohnungen. Geplant ist eine Konstruktion, bei der Erschliessungskern und Sockelgeschoss in Beton und die Geschossdecken in einem Holz-Beton-Verbund erstellt werden. Die tragenden Stützen und Unterzüge werden aus Holz realisiert.

Holz-Hochhaus im Doppelpack
Auf dem Chamer Papieri-Areal der Cham Immobilien sind gleich zwei Hochhäuser in Holz geplant: Die beiden Entwürfe stammen von den Luzerner Büros Rüssli Architekten sowie Konstrukt Architekten, die im Rahmen des kürzlich entschiedenen Studienauftrags ausgewählt wurden. Und auch die Forschung hat sich des Themas angenommen: Das Kompetenzzentrum Typologie und Planung in Architektur (CCTP) der Hochschule Luzern hat gemeinsam mit Forschungspartnern aus der Baubranche das Potenzial von Holz-Hybrid-Hochhäusern untersucht.

Im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojekts haben sie das horizontal und vertikal flexible «Modul17» entworfen, das zu fast 90 Prozent aus Holz besteht und sich an unterschiedliche Stadtstrukturen anpasst. Anhand eines etwa 130 Meter hohen Prototyps aus insgesamt 58 Modulen haben die Forschenden in Zusammenarbeit mit Fachleuten aus der Praxis die Erkenntnisse validiert und die Praxistauglichkeit nachgewiesen.

Damit solche Bauvorhaben realistisch werden, braucht es nicht zuletzt technische
Innovationen und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen: Denn mit Holz unbegrenzt in die Höhe zu bauen, ist in der Schweiz beispielsweise erst seit 2015 machbar. So gesehen scheint für die Zukunft vieles möglich – auch, was bis vor Kurzem für den Holzbau noch undenkbar schien.

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