Gabi Schweiger arbeitet als Geschäftsführerin bei der Organisation atomstopp.

Atomstrom zu nutzen war zuletzt in vielen Gesellschaften zu Recht in Verruf geraten, ein Aus der Atommeiler schien greifbar. Ökologische und ökonomische Unzulänglichkeiten wurden benannt, die Risiken aufgrund der drastischen Unfälle in Tschernobyl und Fukushima endlich realistischer eingestuft. Die Endlagerung des Mülls ist weiter eine ungelöste Herausforderung. Und doch scheint diese Zäsur für manche schon wieder zu lange her. Längst sammeln sich die Atomlobbyisten hinter der Bühne der Klimadebatte, polieren alte Propaganda neu auf und massieren damit die Köpfe politischer Leitfiguren.

Die Problematik der Klimaerhitzung hat zwar jetzt die nötige Aufmerksamkeit, die flotte Umsetzung notwendiger Massnahmen fehlt noch. So richtig fatal ist aber, dass fragwürdige Ansätze diskutiert werden – wie eben das Zurück zur Atomkraft. Das kostet wertvolle Zeit und verschärft somit das Problem, weil der Diskurs für echte, grosse, überzeugende Lösungen blockiert wird. Denn, ganz profan gesagt: Atomkraft nutzt dem Klima nicht.

Schon die immer wieder angeführte, scheinbar gute CO2-Bilanz ist eine Mogelpackung. Sie beziffert nur den Ausstoss während der laufenden Stromproduktion. Jahrzehnte dauernder Bau mit konventionellen Materialien, Produktion und Transport technischer Komponenten, landraubender, toxischer Uranabbau nebst energieintensiver Aufbereitung zum Brennstoff, Kühlung und Zwischenlagerung abgebrannter Brennelemente und nach Ende der Lebensdauer des Meilers noch die Rückbau-Phase, von der man erst zu erfahren beginnt, wie aufwendig diese in der Realität ausfällt, und zuletzt noch die ungelöste Frage des radioaktiven Abfalls – all dies bleibt in der Berechnung aussen vor.

In der Totale betrachtet, können mit Atomstrom gar keine Emissionseinsparungen erzielt werden. Gerade mal 4.3 Prozent des Weltenergiebedarfs decken AKW derzeit, Tendenz stetig fallend. Eine Steigerung ist komplett unrealistisch. Selbst in wenig ausgeprägten Demokratien mit fragwürden Menschenrechts- und Umweltstandards dauert der Bau eines Reaktors zehn Jahre. In Europa liegt diese Bauzeit eher beim Doppelten, wie die Beispiele Flamanville (Frankreich) und Olkiluoto (Finnland) eindrücklich zeigen. Wollen wir das Klima noch einigermassen retten, brauchen wir Tempo, das ist Konsens.

Auch die Laufzeitverlängerung alter Meiler hat nur verschiebende Wirkung, bringt Unverlässlichkeit durch veraltete Technik und Materialermüdung – oder führt schlimmstenfalls zum nächsten GAU. Zudem erweist sich Atomkraft als nicht kompatibel mit den volatilen erneuerbaren Energien. Will man diese ernsthaft forcieren, braucht es flexibel steuerbare Ausgleichsenergie. Auch das kann Atomkraft nicht, AKW liefern ausschliesslich Grundlast. Sie verstopfen folglich die Netze für ein komplexes Zusammenspiel im zukunftsfähigen Energieportfolio.

Weitaus effektiver investiert, wer auf Energieeffizienz und -einsparung setzt. Beides erzielt rasch messbare Ergebnisse. Das Gebot der Stunde ist zudem, an der Optimierung von Speichertechnologien zu arbeiten – und natürlich am zügigen, volkswirtschaftlich höchst impulsgebenden Ausbau eines klugen Mixes aus regenerativen Energien.

Wirtschaftlichkeit und AKW ist ein Widerspruch in sich. Ohne staatliche Subventionen geht gar nichts, obwohl, wie schon bei der CO2-Bilanz, unbequeme Faktoren nicht von den Konzernen eingepreist werden müssen. Ob Haftung bei erheblichen Schäden im gesamten Zyklus oder Sicherung radioaktiver Abfälle für Hunderttausende Jahre: Das ist Sache des Staates, also der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Wir dürfen also nicht zulassen, dass beim Versuch, mit Atomkraft das Klima stabilisieren zu wollen, der Bock zum Gärtner gekürt wird.

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