Die Geschichte der Pflanzen in Zeiten des Klimawandels ist sowohl global als auch lokal von Bedeutung – jede Region wird unterschiedlich betroffen sein. Mithilfe des Plant Science Center werden aktuell neun Klimagärten in der Deutschschweiz ermöglicht. Schulen sind eingeladen, mit dem Bau eines Klimagartens Zukunft erlebbar zu machen und einen Dialog über den Klimawandel zu säen. Dadurch kann eine persönliche, emotionale Verbindung zu den oft abstrakten globalen
Klimaszenarien hergestellt werden.
Der Klimagarten 2085 entstand aus einer sehr einfachen Frage. Obwohl wir lernen, globale Klimaszenarien zu verstehen, ist es oft schwierig, sich vorzustellen, was das für uns in der Mitte Europas bedeutet. Was wird die Zukunft für uns und unsere Nachkommen bringen?
KLIMAGARTEN UND KLIMAPARADOX
Zwei Klimaszenarien werden in Gewächshäusern von April bis September simuliert. Die Temperaturen wurden auf plus drei und plus 6.5 Grad Celsius über den heutigen durchschnittlichen Temperaturen im Sommer eingestellt. Die Hälfte der Pflanzen in jedem Gewächshaus bekommt 30 Prozent weniger Wasser. Das Szenario von plus drei Grad Celsius simuliert die Bedingungen, die wahrscheinlich herrschen werden, wenn die CO2-Emissionen so reduziert werden, wie es in der Vereinbarung von Paris 2015 festgelegt wurde. Das Szenario von plus 6.5 Grad Celsius simuliert die vorhersehbare Situation, wenn die globale Erwärmung wie bisher fortschreitet. Diese Werte wurden von MeteoSchweiz / ETH CH-2018 für den Nordwesten der Schweiz für das Jahr 2085 berechnet. Pflanzen, die heute im Norden der Schweiz gut gedeihen, wie etwa Weidelgras, Sonnenblumen, Weizen, Mais und Zuckerrübe, werden sowohl in den Gewächshäusern als auch auf einer angrenzenden Freifläche angepflanzt. Damit wird ein Vergleich möglich zwischen dem, was wir heute anpflanzen, und was uns in Zukunft erwarten könnte. Die Schülerinnen und Schüler können selbst aktiv werden und Messungen an den durch Wassermangel und Hitze gestressten Pflanzen vornehmen.
Der Klimagarten 2085 offeriert ein interaktives Format, um das Klimaparadox zu tangieren. Dieses bezieht sich auf den Widerspruch zwischen dem, was die Bürger und die Politik über den Klimawandel wissen, und ihrem fehlenden Handeln. Warum handeln wir angesichts des wissenschaftlichen und ethischen Konsenses nicht? Der Fall der gescheiterten Schweizer CO2-Gesetze vom 13. Juni 2021 ist ein aktuelles Beispiel. Diskussionen zum Thema, wie man den Klimawandel besser kommunizieren könnte, konzentrieren sich darauf, wie wichtig es ist, individuelle und soziale Reaktionen zu verstehen, und wie man die Menschen zum Handeln ermuntern kann. Das Hauptproblem ist die viel zu abstrakte Darstellung von Klimavorhersagen: Es ist wichtig, dass wir Geschichten über den Klimawandel erzählen – Geschichten, welche das Publikum zum Handeln bewegen.
LEBENSRÄUME VERÄNDERN SICH
Das Zurich-Basel Plant Science Center ist das Kompetenzzentrum für Pflanzenwissenschaften der drei Hochschulen ETH Zürich, Universität Zürich und Universität Basel. In der Schweiz wird der Klimawandel mit grosser Wahrscheinlichkeit zu häufig auftretenden Hitzewellen, Trockenperioden oder Starkniederschlägen führen. Dies hat nicht nur Verluste in der landwirtschaftlichen Produktion zur Folge, sondern verändert auch unsere Landschaften und Ökosysteme. In den alpinen Regionen steigt aufgrund der Klimaerwärmung die Schneefallgrenze und die Gletscher schmelzen. Dies wiederum beeinflusst die Wasser-, Boden- und Luftqualität. Die Böden werden trockener und nährstoffärmer und es kommt häufiger zu Erosionen. Damit verändern sich die Lebensräume für viele Pflanzen und Tiere. Einheimische Arten werden durch neue wärmeliebende Arten verdrängt. In den letzten Jahren hat die Biodiversität in der Schweiz einen deutlichen Rückgang erfahren. Der Erhalt der Artenvielfalt spielt nicht nur für die Ökosysteme eine wichtige Rolle, sondern auch für die landwirtschaftliche Produktion. Je grösser die Anzahl von Arten oder Sorten in einem Garten, einer Wiese oder einem landwirtschaftlichen Feld ist, desto produktiver ist die Pflanzengemeinschaft. Pflanzengemeinschaften haben auch den Vorteil, dass sie besser mit veränderten Umweltbedingungen umgehen können und ihre Individuen besser vor Naturfeinden schützen.
Die Klimaerwärmung hat aber nicht nur Nachteile. Gerade die nördlichen Länder werden profitieren. In der Schweiz dürfte sich die Erwärmung positiv auf den Anbau von Mais, Soja und den Rebbau auswirken. Wir ermutigen speziell die Hobbygärtner zum Anbau von mehr Wintersorten. Aufgrund der milderen Winter könnte zum Beispiel Mangold ganzjährig angebaut werden. Das Konzept des Klimagartens lautet «Slow Media». Es geht darum, das langsame Wachsen der Pflanzen zu beobachten, Überlegungen über die Zukunft anzustellen, den Erzählungen zu lauschen und einen Rahmen zu finden, der zum Handeln anregt.
Dr. Juanita Schläpfer-Miller
ist Outreach Manager bei Zürich-Basel
Plant Science Center.
Dr. Manuela Dahinden
ist Managing Director –
Research Communications & Fundraising
bei Zürich-Basel Plant Science Center.