Peter Dransfeld ist Architekt und präsidiert den Schweizerischen Ingenieurund Architektenverein (SIA). Er ist Inhaber des Architekturbüros Dransfeldarchitekten AG.

Dass wir unserem Wirtschaften eine nachhaltige Komponente verleihen müssen, wird seit bald 50 Jahren öffentlich diskutiert. Dabei schwingt seit jeher die Befürchtung mit, dass dies auf Verzicht hinauslaufen müsse. Als die Ölkrise ausbrach, als wir begannen, über Energiesparen zu sprechen, als Waldsterben und Luftverschmutzung in aller Munde waren, stand immer auch im Raum, wir müssten uns einschränken. Stimmt das? Ist Nachhaltigkeit gleichbedeutend mit Verzicht?

Mein persönlicher Einstieg ins Thema Nachhaltigkeit begann mit Experimenten. Als Jugendlicher experimentierte ich mit alten Autoscheinwerfern und alten Fenstern, um zu sehen, wie sich die Kraft der Sonne einfangen lässt. So war für mich der Weg zu einem umweltgerechteren Leben mit Neugier und der Freude am Entdecken verbunden. Aber auch mit purem Genuss, wenn ich zum Beispiel an Velotouren denke, die ich Autofahrten vorzog.

Natürlich ist Verzicht auch eine Komponente der Nachhaltigkeit. Fahren wir weniger weit, wohnen wir auf weniger Fläche, heizen und kühlen wir unsere Räume weniger, dann sparen wir Ressourcen, dann handeln wir klimagerecht. Dennoch bestand die Herausforderung für mich immer darin, gute Lösungen – namentlich beim Bauen – zu finden, die keine Einschränkung beim Komfort, bei der Lebensfreude, beim Genuss bedeuten, was durchaus möglich ist.

Denken wir an komfortable Autos mit tiefem Energieverbrauch, denken wir an Plus-Energie-Häuser mit höchstem Wohnkomfort, denken wir an intelligente kleine Apparate, die weit mehr können und leisten als die Energieschleudern, die wir früher herstellten: Klimagerechtes Leben und Wirtschaften muss nicht auf Einschränkung und Verzicht hinauslaufen, es lässt sich mit einem genussvollen Leben vereinbaren. Mit dieser Botschaft ist es mir seit über 25 Jahren gelungen, Bauherrschaften vom Sinn einer nachhaltigen Bauweise zu überzeugen.

Leider ist es nicht ganz von der Hand zu weisen, dass einige Pionierprojekte des nachhaltigen Bauens die Gestaltung vernachlässigten. So litt das energieeffiziente Bauen lange unter dem Vorurteil, hässliche Resultate hervorzubringen. Begreift man Lösungen wie zusätzliche Wärmedämmungen oder den Einsatz solarer Komponenten aber auch als gestalterische Herausforderung, dann bieten sie ein besonderes Potenzial. Auch dank neuer Produkte und Systeme gibt es mittlerweile eine ansehnliche Anzahl von Bauten, die Nachhaltigkeit und einen hohen Anspruch an die Gestaltung konsequent verbinden.

Der nächste Schritt beim klimagerechten Bauen wird uns erneut herausfordern: Nicht nur die Wiederverwendung von Baustoffen, auch diejenige von Bauteilen ist ein Gebot des konsequent nachhaltigen Bauens. Wieder könnte man befürchten, dass dies nur zum Preis unpraktischer, unwirtschaftlicher und unansehnlicher Lösungen möglich sei. Diese Ansicht teile ich nicht. Ich bin vielmehr zuversichtlich, dass es uns mit offenem Geist, mit Kreativität und mit Mut zu neuen Lösungen gelingen wird, wiederverwendete Bauteile auf überzeugende Weise in neue Projekte zu integrieren, sowohl in funktionaler als auch in ästhetischer Hinsicht.

Verzicht und Askese oder Lebensfreude und Komfort? Für mich ist es letzteres, was zum klimagerechten Bauen gehört. Hinzu kommt die Freude für uns Baufachleute, laufend neue Lösungen zu suchen und diese permanent weiterzuentwickeln. Packen wir es an!

SIA auf der Swissbau
Der SIA veranstaltet im Rahmen des Swissbau Focus vom 18. bis 21. Januar verschiedene Veranstaltungen zum Thema Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft – unter anderem «Beim Planen den Rückbau mitplanen: zirkular und remontabel» am 19. Januar von 11 bis 12 Uhr und am selben Tag von 17 bis 18.15 Uhr «Überleben und Schönheit – ein Widerspruch?».

www.sia.ch