Andreas Breschan ist CEO der Hörmann Schweiz AG.

Was soll diese Frage? Natürlich will ich wollen und nicht müssen. Selbst entscheiden und nicht von den Umständen getrieben sein. Soviel zur Theorie. In der Praxis läuft es jedoch des Öftern so ab: Wer nicht will, der wartet, bis er muss, und dann kann er nicht.

Ein Beispiel aus dem echten Leben gefällig? Da wäre etwa das Thema Ernährung. Wir alle wissen, dass eine energetisch ausgewogene Ernährung mit wenig Zucker, Fett und Alkohol in Kombination mit ausreichend sportlicher Betätigung für den Ottonormalverbrenner ein bewährtes Rezept ist, um ein gesundes Körpergewicht zu halten. Eigentlich ganz simpel, möchte man meinen. Trotzdem sind gemäss Bundesamt für Gesundheit 42 Prozent der Erwachsenen in der Schweiz übergewichtig. Was ist der Grund? Es gilt das oben beschriebene Prinzip: Wir wollen nicht auf unsere lieb gewonnene, aber falsche Ernährung verzichten, obwohl sich erste Anzeichen einer Gewichtszunahme einstellen. Was soll’s? Die paar Kilos bekommen wir dann schon weg und eigentlich sind wir noch ganz gut in Schuss. Also machen wir erst einmal so weiter, weil es so schön bequem ist. Eine Weile lang geht das gut. Allerdings ist es nur eine Frage der Zeit, bis klare Zeichen uns darauf aufmerksam machen, dass wir so nicht weiter machen sollten. Spätestens jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir etwas tun müssen, eventuell aber nicht mehr können. Zu schwer fallen die nötige Umstellung der Ernährung und das konsequente Umsetzen eines Fitnessprogramms.

Wenn Sie sich jetzt fragen, was das alles mit Management zu tun hat, dann schauen wir uns kurz den Fall Kodak an. 1892 gegründet und mit einer genialen «Razer and Blades»-Strategie gross gemacht, war Kodak jahrzehntelang der unangefochtene Weltmarktführer in der Film- und Kamera-Industrie. Den Rest der Geschichte kennen Sie. Das Businessmodell Kodak wurde durch die digitale Fotografie verdrängt und Kodak musste 2012 Konkurs anmelden. Aber jetzt kommt der Hammer: Die erste Digitalkamera wurde Jahre zuvor von Steve Sasson, einem Elektroingenieur, erfunden. Raten sie mal, bei wem er angestellt war. Ja genau, bei Kodak! Als Sasson dem Management seine Erfindung vorstellte, wurde er angewiesen, diese für sich zu behalten und niemandem davon zu erzählen. Man hatte sofort erkannt, dass diese Innovation eine Gefahr für das etablierte Erfolgsmodell war, weil sie Filme und Entwicklungspapier überflüssig machen würde. In den Achtzigerjahren unternahm Kodak unter neuer Führung den Versuch, eine Leader-Rolle im Markt der Digitalkameras zu übernehmen. Zu halbherzig und zu spät, wie sich zeigte. Fujifilm, Canon, Sony, Nikon und Co. setzten voll auf die neue Technologie und waren bald nicht mehr einzuholen. Und da haben wir es wieder: Wer nicht will, der wartet, bis er muss, und dann kann er nicht mehr.

Was man vom Aufstieg und Fall von Kodak über Strategie und Unternehmensführung lernen kann – darüber wurden buchstäblich Bücher geschrieben. Kein geringerer als John P. Kotter hat eine Abhandlung darüber verfasst, also will ich es gar nicht erst versuchen. Darum zurück zur eingangs gestellten Frage: «Willst du müssen?» Wenn Ihre Antwort auf diese Frage ein Nein ist, dann kann der Umkehrschluss der oben erwähnten Feststellung nur lauten: Wer nicht müssen will, der muss wollen.

Was im ersten Moment etwas verwirrend klingt, birgt eine tiefe Wahrheit. Am Anfang steht der Wille. Wer es wirklich will, kann gesund leben. Genauso kann jede Unternehmung erfolgreich bleiben und sich neuen Markttrends anpassen, wenn der Wille der Verantwortlichen dazu da ist, neue Wege zu beschreiten. Darüber hinaus braucht es natürlich die Weitsicht, Trends frühzeitig zu erkennen, und den Mut, mit der gewonnenen Erkenntnis das Richtige anzufangen. Auch dann, wenn es bedeuten kann, sich selbst neu zu erfinden. Viele Jahre vor Facebook machte Kodak einen überraschenden Geschäftszug und erwarb 2001 eine Foto-Sharing-Website namens Ofoto. Leider ging Kodak nicht den Weg von Instagram, sondern nutzte Ofoto, um mehr Menschen dazu zu bringen, digitale Bilder zu drucken und so zum altbekannten, erfolgreichen Geschäftsmodell zurückzukehren. Die letzte Chance, etwas wirklich Neues und Bedeutendes zu erschaffen, war vertan. Nicht, weil Kodak es nicht konnte, sondern weil das Management es nicht wirklich wollte.

www.hoermann.ch