David Stickelberger ist Geschäftsführer bei Swissolar.

Politik und Medien sind zurzeit fasziniert von der Idee, unsere Energieversorgungsprobleme mit Solarenergie aus den Bergen lösen zu können. Fast im Wochentakt tauchen neue, immer noch grössere Projekte auf. Alpinsolar wird zweifellos einen Beitrag zur zukünftigen Stromversorgung leisten können und müssen, nicht zuletzt wegen der hohen Erträge im Winter dank Nebelfreiheit und Schneereflexion. Das Parlament hat deshalb in ungeahntem Tempo die Bewilligungsverfahren für solche Anlagen vereinfacht.

Der grosse Nachteil von Alpinsolar ist, dass die Produktion weit weg vom Verbrauch erfolgt und somit zusätzliche Stromleitungen erstellt werden müssen. Aus diesem naheliegenden Grund muss der grösste Teil des solaren Zubaus auf den Gebäuden installiert werden – dort, wo rund 45 Prozent unserer Energie verbraucht wird. Und das Schöne ist: Auf den besonders gut geeigneten Dächern könnten jährlich rund 53 Terawattstunden Solarstrom erzeugt werden, auf den Fassaden nochmals 17 Terawattstunden. Zusammen also mehr, als wir heute insgesamt an Strom verbrauchen.

Leider harzt es immer noch mit der Nutzung dieses riesigen Potenzials. Eigentlich müsste es eine Selbstverständlichkeit sein, dass neue und sanierte Dächer mit Solaranlagen ausgestattet werden – ist es aber nicht. Und wenn Anlagen gebaut werden, decken sie oft nur einen Teil der geeigneten Fläche ab. Und Solarfassaden sind immer noch eine Ausnahmeerscheinung. Ein möglicher Ansatzpunkt liegt in der Pflicht, Solarenergie zu nutzen. Bereits heute kennen 19 Kantone eine Eigenstrompflicht für Neubauten. Nun wollen die kantonalen Energiedirektoren einen Schritt weitergehen und eine Solarpflicht für alle Gebäude einführen. In Baselstadt ist dies bereits im Grundsatz beschlossen, in Zürich fordert dies eine Mitte-links-Allianz.

SVP und Hauseigentümerverband empören sich, obwohl heute Solaranlagen mit Förderbeiträgen grosszügig unterstützt werden und sich die Investition meist nach wenigen Jahren auszahlt. Natürlich kann man sich fragen, weshalb es unter diesen Umständen eine Pflicht braucht. Meine Meinung: Wir werden nicht darum herumkommen, denn der Solarausbau wurde jahrelang von der bürgerlichen Mehrheit ausgebremst, und jetzt müssen wir in kürzester Zeit den Ersatz des Atomstroms und der fossilen Energien bewältigen. Da können wir uns nicht allein auf den Goodwill der einzelnen Hausbesitzer verlassen. Es braucht eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung und diese braucht klare Rahmenbedingungen mit gesetzlichen Vorgaben.

Die Erfahrung mit dem Glühbirnenverbot vor zehn Jahren zeigt auch, dass solche harten Massnahmen klare Marktsignale schaffen und die Innovation fördern – kurz danach kam ein grosses Sortiment gutaussehender Leuchtmittel, in erster Linie LED, auf den Markt. Einen ähnlichen Innovationsschub würde wohl auch eine Solarpflicht auslösen. Die Basis dafür ist hervorragend: Bereits heute gibt es eine grosse Vielfalt an Photovoltaik-Modulen für Dächer und Fassaden in verschiedenen Farben und Grössen. Schweizer Hersteller stehen dabei weltweit an vorderster Front, und immer mehr Architekt*innen entdecken die Möglichkeit, solaraktive Elemente als Gestaltungsmittel einzusetzen. In guter Erinnerung bleibt mir der Architekt, der von seiner Bauherrschaft gegen seinen Willen zu einer Solarfassade verknurrt wurde, und jetzt, nach Vollendung des Mehrfamilienhauses, ganz begeistert davon ist. Er merkte, dass das gar nicht so kompliziert ist, wie er dachte, und erst noch gut aussieht.

Manchmal braucht es einfach einen Schubs, neudeutsch Nudge. Die Solarpflicht könnte es sein.

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