Am Beispiel der St. Jakobshalle in Basel kann man belegen, wie sich das Anforderungsprofil von Sport- und Mehrzweckhallen geändert hat. Früher ging es fast nur um die funktionalen Ansprüche von Sportereignissen. Heute sind solche Gebäude komplexe Mehrzweckhallen, die sehr vielen Bedürfnissen von unterschiedlichen Zielgruppen genügen müssen. In Basel kommt noch eine Herausforderung dazu: Der Umbau erfolgt unter laufendem Betrieb. Das ist Neuland. Wir präsentieren dazu einen eigenen Schwerpunkt. Eröffnet wird er mit einem Interview mit Beat Grossglauser. Er ist Projektmanager beim Hochbauamt Basel-Stadt.

Wir befinden uns hier auf einer nicht ganz alltäglichen Baustelle. Auf der einen Seite sieht man noch Armierungseisen und Verschalungsarbeiten mit Beton, auf der anderen Seite rollt man schon die Teppiche und Beläge für die Swiss Indoors aus. Haben Sie da nicht einige schlaflose Nächte, wenn jemand mal wieder kommt und sagt: «Wir schaffen das nicht bis zu diesem Termin.»?
Zum Glück habe ich bis jetzt keine schlaflosen Nächte, aber manchmal arbeite ich bis weit in die Nacht hinein. Meine Arbeitszeit geht weit über das Normalmass hinaus. Das muss man einräumen. Auch an Samstagen bin ich oft auf der Baustelle.

Lassen Sie uns zunächst einen Blick in die Geschichte werfen. Die alte Halle ist ja in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts gebaut worden. Welche Herausforderungen musste damals eine solche Halle leisten, und wo liegen die Unterschiede zu heutigen Ansprüchen?
Als die Halle von 1971 bis 1975 gebaut wurde, lag das Ziel in einer reinen Sportnutzung. Das betraf die Halle selbst, aber auch die Räumlichkeiten darum herum.

Können Sie das an einem Beispiel verdeutlichen?
Ein Sanitärraum beinhaltete eine Dusche, einen Umkleideraum und eine Toilette. Von heutigen eingeforderten Gastro- und ­Cateringräumen war man weit entfernt.

Es ging um den Betrieb von reinen Funktionsräumen?
Genau. Die Entwicklung, dass nach und nach Events veranstaltet wurden, kam erst zehn Jahre später. In den Achtzigerjahren begannen dann die Generalversammlungen von grossen börsenkotierten Unternehmen. Einige Jahre später erlebte die Halle dann auch Rockkonzerte und andere Entertainment- Veranstaltungen.

Dann musste nachgesteuert werden?
Diese Frage ist für mich zu einfach gezeichnet. Es musste baulich nachgebessert werden. Nehmen Sie nur als Beispiel die bauliche Herausforderung, um die riesigen Lasten für Lautsprecher und Beleuchtung aufzuhängen. Ein heutiges Rock­konzert braucht eine riesige Infrastruktur. Das hat aber nicht nur eine qualitative, sondern auch eine quantitative Dimension. Und es betrifft nicht nur das Gebäude selbst und seine Umgebung. So brauchen Sie mehr Parkplätze und Verkehrsleit­systeme. Dieses Vorgehen stiess aber in den letzten Jahren an Grenzen.

Solch ein Umbauprojekt, wie wir es hier vor Augen haben, steht im nationalen und internationalen Standortwett­bewerb. Die Halle hat nationale und ­internationale Mitbewerber. Wo kann hier die sanierte St. Jakobshalle überzeugen? Die Sanierung und der Umbau müssen sich für Basel rechnen. Da ­stehen Sie sicher auch unter politischem Rechtfertigungsdruck?
Bevor wir den Entscheid gefällt haben, ­haben wir mit externer Hilfe das Projekt  durchgerechnet. Es standen mehrere Szenarien zur Debatte. Wir hätten die Halle auch wieder, nach dem Motto «klein, aber fein», zu einer reinen Sporthalle zurückbauen können. Das wurde intensiv geprüft. Das Hauptargument war nicht nur die reine betriebswirtschaftliche Seite, die sich auch rechnen muss, sondern der volkswirtschaftliche Nutzen. Es geht nicht nur um die ­direkte monetäre Einnahmenseite, sondern auch um den indirekten Nutzen. Nehmen Sie nur die Gastronomie und Hotellerie, die von Grossanlässen profitiert. Das ist eine Standortmarketingfrage mit einem  volkswirtschaftlichen Entscheid, und diesen haben wir nach langer Prüfung positiv beantwortet.

Was sind bei solch einem Umbau die Kernthemen?
Die höheren Ansprüche und unterschiedlichen Mehrfachnutzungen von den Räumlichkeiten haben wir schon angesprochen. Dann geht es um die Frage der Zuschauer­zahlen. Früher war in der St. Jakobshalle maximal Platz für 9 000 Besucher. Im heutigen Markt müssen Sie schon über die Zahl von weit über 10’000 kommen, sonst sind sie beispielsweise nicht auf der Liste bei den Veranstaltern von Grosskonzerten. Das Catering braucht Entfaltungsmöglichkeiten. Auch die Frage nach der Lösung von Sicherheitsfragen und Lenkung von Verkehrsströmen im Umfeld sind spielentscheidende Kriterien.

Wie sieht die Identität der neuen Architektursprache aus, und wie ist die St. Jakobshalle denn in den lokalen Raum eingebettet? Welche Zeichen wollen Sie hier setzen?
Ein markantes optisches Zeichen ist das neue grosszügige Vordach. Der neue Eingang befindet sich gegenüber dem St. Jakob-­Park. Das ermöglicht eine bessere Kommunikation zwischen den beiden Gebäuden und führt zu einer Aufwertung des Raums dazwischen. Der lokale Raum kann so besser vernetzt werden.

Oft erlebt man bei der Planung und ­Umsetzung von komplexen Grossprojekten immer wieder Überraschungen, was den Kostenrahmen betrifft. Der im Vorfeld präsentierte theoretische Kostenrahmen ist ein politischer Preis, da man das Projekt durchdrücken will und auch vor Wählern zu rechtfertigen hat, der später in der Praxis nicht einge­halten werden kann. Dann ist aber die Baustelle schon so weit vorangeschritten, und die Sachzwang-Argumente kommen auf den Tisch. Politische Vorgaben verhindern den realistischen Blick. Wie sieht das in diesem Projekt aus? Warum passiert dies hier nicht?
Der Kostenrahmen bei uns ist klar fixiert. Das Parlament von Basel-Stadt hat einen Kredit von CHF 107.8 Millionen für bauliche Massnahmen und zwei Millionen für Mobiliar bewilligt. Diesen gilt es einzuhalten – der Kredit ist ganz klar endlich.

Beim Kostenmanagement gilt es, sehr klar zu unterscheiden von dem, was vielleicht wünschbar und was machbar ist. Da gilt es, klare Trennlinien zu ziehen. Da müssen die Beteiligten manchmal einige Kröten schlucken. Manchmal gilt es auch Stopp zu rufen und eine Zäsur einzu­fordern. Solch ein Projekt ist nicht die Umsetzung eines Wunschkonzertes. Nur wer klare Warnschilder aufstellt, kann seinen Kostenrahmen einhalten. Gleichzeitig brauchen Sie bei solchen komplexen Bauten immer einen realistischen Risikopuffer. Sie haben recht, im Rahmen eines Umbaus unter laufendem Betrieb, wie das hier der Fall ist, gibt es immer wieder Überraschungen. Allerdings sind hier vom Parlament Kostensteigerungen nicht zugelassen. Zudem haben wir und das ­Architektur-Team grosse Erfahrungen bei Sanierungen und Umbauten.

Da laufen Sie auf einem heiklen Spannungsbogen. Sie haben das hier unter dem Titel des alten Rocksongs von Queen «The Show Must Go On» zusammengefasst. Der Event-Betrieb wird während der Bauzeit vollumfänglich ­aufrechterhalten. Bau und Event sind ja zwei völlig unterschiedliche Welten. Da kommen immer wieder besondere Planungs- und Logistikherausforderungen auf die Verantwortlichen zugerollt. Wie gehen Sie diese Herausforderung an?
Der Betrieb wird ohne Abstriche aufrechterhalten. Die Besucher werden aber an der einen oder anderen Stelle sehen, dass hier eine Baustelle ist. Aber auch provisorische Lösungen können funktional und gleichzeitig ästhetisch gefällig daherkommen. Man wird natürlich den Kran sehen. Aber Sie haben Recht. Die Situation ist selbst für erfahrene Baufachleute eine grosse Herausforderung. Man hat zu wenig historische Erfahrungen, von denen man lernen könnte.

Auf einer solchen Baustelle gibt es auch unterschiedliche Interessen. Während der Events braucht es wenige Baufacharbeiter, dafür davor und danach sehr viele. Ich sehe schon die ­Auseinandersetzungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern vor mir. Sie repräsentieren die öffentliche Hand. Da stecken Sie sicher öfters in einer Sandwich-Position. Auch der ­Architekt und viele andere beteiligte Stakeholder wollen ihre Interessen wahren. Wie werden diese unterschiedlichen Interessen hier moderiert?
Wir pflegen hier das politische Modell der Schweiz bei der Entscheidungsfindung. Es gilt, die verschiedenen Interessen ­abzuwägen und das Beste mit dem Machbaren zu verknüpfen. Eine hohe architektonische Qualität ist ebenso gefragt wie  betriebswirtschaftliche Argumente. Eben­so spielen gesetzliche Vorgaben wie die Lösung von Sicherheitsfragen eine Rolle. Alle Beteiligten müssen manchmal auch Kompromisse eingehen.

Und Sie sind in der Moderationsrolle?
Die verschiedenen Teilnehmer von Nutzer, Eigentümer, Architekt und Gewerkschaften können ihre Argumente vorbringen. Dieser Prozess, das ist im Kern das klassische Baumanagement, verlangt viel Diplomatie und Verhandlungsgeschick – ja somit bin ich klar in der Moderationsrolle.

Kommen wir noch zur Energiefrage. Wer vor vier Jahrzehnten solch ein Gebäude realisiert hat, bei dem stand im Keller ein grosser Ölbrenner, die Lüftung verschlang grosse Mengen an Energie, und Dämmung war ein Fremdwort. Heute, in Zeiten der Energiewende, sieht das sicher anders aus. Welche Lösungen haben Sie hier gefunden?
Einerseits gilt es, das Energiegesetz des Kantons Baselland einzuhalten. Auch die Stadt Basel als Eigentümerin hat sich selbst hohe Vorgaben gesetzt. Die bisherigen energetischen Lösungen sind dem Zeitgeist Anfang der Siebzigerjahre geschuldet, das war noch vor der ersten Energiekrise. Sie haben die damaligen Lösungen angesprochen. Aufgrund dieser Situation können wir mit energetischen Zahlen glänzen. Wir gehen davon aus, dass der Heiz­energiebedarf halbiert wird.

Wie sieht die Lösung hier konkret aus?
Wir arbeiten hier im Rahmen eines Wärme­verbundes. Es wird die Abwärme einer Abwasserreinigungsanlage genutzt. Ange­schlossen sind auch der St. Jakob-Park, die Eisarena und das Gartenbad. Der Ring geht hier im Kreis. Wir schauen auch bei der Energiefrage über den Tellerrand des Gebäudes hinaus. Das Ganze funktioniert klimaneutral. Zudem wird die Gebäudehülle gedämmt.

Kommen Sie dann in den Bereich eines Minergie-Standards?
Das sanierte Gebäude erreicht den Minergie-Standard für Umbauten, aber nicht für Neubauten.

Und wie sieht es aus mit regenerativen Energien? Fläche ist ja genügend vorhanden?
Wir arbeiten mit dem IWB an der Lösung einer Wärmepumpe. Wir müssen, ohne Frage, wegkommen von fossilen Energieträgern.

Welche Erfahrungen kann man von dieser Baustelle übertragen?
Solch eine Herausforderung, den Umbau und Betrieb auf der gleichen Zeitachse zu realisieren, trifft man eher selten an. Andere Grossprojekte hier in Basel, wie zum Beispiel die der Sanierung des Kunstmuseums, wurden während der Umbauzeit geschlossen. Das ist der übliche Weg. Wir können die Erfahrungen von hier sicher auf weitere Projekte übertragen.

Wann ist die grosse Eröffnungsfeier?
Wir wollen in zwei Jahren zu Beginn der herbstlichen Eventzeit, sprich zu den Swiss Indoors, fertig sein.

Da wünschen wir viel Glück. 

Weitere Informationen:
www.hochbauamt.bs.ch