Dr. Uwe Rüdel

Der Besuch der Swissbau 2020 machte einmal mehr deutlich, warum die Schweizer Bauindustrie, gemeinsam mit den Aktivitäten aus dem Immobilienbereich, rund 17 Prozent
des Schweizer Bruttosozialprodukts ausmacht! Den vielen Unkenrufen im Vorfeld zum Trotz ist er jetzt angekommen: der starke Wille zur Erneuerung, zur Weiter-Entwicklung und zur Digitalisierung. Gerade im Swissbau Innovation Lab, einem Sonderbereich zum Thema Digitalisierung, war dieser Wille zu spüren. Die vielen spannenden Aktivitäten luden zum Anfassen und Mitmachen ein. Es ging um konkrete Präsentationen, beispielsweise zu Themen wie 3-D-Beton-Drucks, Modulare Smart Factory im Holzbau oder Mixed-Reality. Die
Fläche der Speakers-Corner lud zum Mitdiskutieren ein, der ConTech-Wettbewerb für junge Start-ups zum Wetteifern oder der iRoom zum Staunen. Hierbei wurde der Besucher über das Kompetenzzentrum Industrie 4.0 uptownBasel eindrucksvoll («virtuell») informiert.

Aber was genau macht die Digitalisierung nun eigentlich aus? Anhand des Ishikawa- Prinzips1 lassen sich die wichtigsten Einflussgrössen für die Digitalisierung der
Bauindustrie auf die Bereiche Mensch («Akteur»), Methode («Prozesse»), Maschine («Hilfsmittel»), Material («Daten») und Milieu («Randbedingungen und Umgebung»)
zusammenfassen. Der Mensch bleibt fester Bestandteil der Digitalisierung, doch treten hierbei zunehmend neue Qualifikations- Anforderungen in den Vordergrund. Hierzu zählen nicht nur abstrahierende, sprich, analytische Fähigkeiten sowie Kommunikations- und Teamfähigkeit, sondern vor allem der Wille, sich auf Veränderungen einzulassen. Die damit entstehenden neuen Berufsbilder sind als Chance zu sehen – es bleibt zu hoffen, dass damit auch dem bestehenden Fachkräftemangel entgegengewirkt werden kann und sich auch mehr Frauen für dieses vielseitige Berufsfeld interessieren.

Der Wille zur Anpassung ist auch bei der zweiten wichtigen Einflussgrösse, der Organisation und Abarbeitung von Arbeitsabläufen («Prozesse») essenziell. Grundsätzlich werden diese von Menschen erarbeitet und auf die Bedürfnisse der Organisationen angepasst. Daher ist es wichtig, innerhalb des Unternehmens auf eine offene und transparente Kultur mit Sachverstand und Respekt für Menschen hinzuarbeiten. Um vor allem der Gefahr entgegenzuwirken, «gewachsene Prozesse» einer Organisation durch den Einsatz digitaler Technologien («Maschine») vorschnell und ohne Verifizierung einzubinden, ist die  frühzeitige Einbindung aller Partner der digitalen Wertschöpfungskette von elementarer Bedeutung. Diese reichen von der Planung bis zum Betrieb. Hierbei vor allem darauf zu achten, die für das Datenmanagement («Daten») geeigneten IT-Strukturen über den gesamten Lebenszyklus nachhaltig zu gewährleisten. Dies geschieht durch Erstellung der
Daten-Anforderungen sowie die Definition von Standards, Open BIM/Formaten, Datenpflege, Stammdaten- und Schnittstellenmanagement.

Es sind vor allem die Stammdaten, welche in Zukunft erlauben, über Datenträger mit dem physischen Artikel verknüpft zu werden, wodurch der digitale Zwilling entsteht. Die Möglichkeiten der sich dadurch ergebenden Rückverfolgbarkeit reichen bis zu einem Immobilien-Pass, in dem die gesamte Geschichte einer Immobilie verlässlich und eindeutig wiedergegeben wird. Somit wird nicht nur ein nachhaltiger Gebäudebetrieb ermöglicht, sondern auch der nachhaltige Umgang mit den verwendeten Wertstoffen  «Randbedingungen»). Durch diese Vernetzung aller Akteure innerhalb einer Wertschöpfungskette werden nicht nur Kosten gespart, Effizienzen gesteigert und Durchlaufzeiten verkürzt, sondern es wird vor allem gewährleistet, dass der Werkplatz Schweiz auch in Zukunft attraktiv bleiben wird.

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