Living Circle: ein Düsseldorfer Leuchtturmprojekt. Foto: Nicola Raspudic

Städte sind attraktiv und die Stadt- und Raumplanung ist ein umkämpftes Feld. Daher gilt es, Lösungen zu finden, die mehrere Interessen unter einen Hut bringen und in die nachhaltige Zukunft weisen. Der Baupartner Grohe hat im Herbst dazu eine Tagung veranstaltet. Wir präsentieren im folgenden Beitrag vier Projekte, die den komplexen Anforderungen standhalten.

In Städten wie Berlin, München, Hamburg und anderen urbanen Metropolen in Europa hat die Wohnungsnot längst das Bürgertum erreicht, bezahlbarer Wohnraum wird zur Mangelware. In Deutschland fehlen schätzungsweise zwischen einer halben und einer Million Wohnungen. Gleichzeitig stehen Bestandsbauten aufgrund mangelnder Modernität leer, Konversionsflächen liegen brach.

Stadtplaner stehen vor vielschichtigen Herausforderungen: Wie lassen sich Bestandsbauten, Konversionsflächen und Neubauten sinnvoll verzahnen, wie passen sozialer Wohnraum und charakterstiftende Stadtplanung zusammen? Oft stellt sich für den städtischen Wohnungsbau die Gewissensfrage: schnell viel Platz schaffen – oder behutsam in die Entwicklung eines Viertels investieren? Flexibilität in der Nutzung von Wohnflächen und die Umwidmung von Gebäuden rücken dabei zunehmend in den Fokus der Stadtplaner. Anders bauen, neu denken. Das sind die zentralen Stichworte. Die Situation erfordert, bisherige Pfade zu verlassen. Die vier folgenden Bauprojekte zeigen, wie das möglich ist.

Städtebauliches Highlight statt Standard-Neubau
Mit Living Circle in Düsseldorf hat die BAUWERT AG mit dem Büro Konrath und Wennemar Architekten und Ingenieure das derzeit grösste Umnutzungsprojekt in Deutschland realisiert. Im ehemaligen Thyssen Trade Center ist ein neues Wohnquartier auf rund 21’500 Quadratmetern Fläche entstanden, das mit dem Deutschen Bauherrenpreis 2018 ausgezeichnet wurde. Statt Abriss setzten die Planer auf Erhalt – und schufen so ein städtebauliches Highlight in dem Gewerbe-dominierten Quartier zwischen den Stadtteilen Flingern und Grafenberg: Wo früher die Mitarbeiter des Revier-Stahlriesen ihre Büros hatten, finden heute 340 Wohnungen, eine Kita und eine Einzelhandelsfläche Platz. Um preisgedämpften Wohnungsbau im teuren Düsseldorf realisieren zu können, war unter anderem eine Änderung des Planungsrechts nötig. Statt Standard-Neubau bietet das Gebäude durch die komplexen Kreisgeometrien des Bestands eine individuelle Wohnstruktur. Für die individuelle Gestaltung des Wohnraums eröffnen sich dadurch aussergewöhnliche Möglichkeiten.

Wohnquartier im Geist der Quadratestadt
In Mannheim bieten Konversionsflächen grosses städtebauliches Potenzial. Auf dem knapp 2.5 Hektar grossen Gelände der ehemaligen Kaserne «Turley Barracks» entsteht das Wohnquartier «Homerun». Wo bis 2007 amerikanische Soldaten der US-Garnison Mannheim stationiert waren, konzipierten die Architekten Peter Bender von Motorlab Architekten aus Mannheim und Florian Krieger aus Darmstadt vier Gebäudetypologien, die mit der Grundform des Quadrats gestalterisch das Thema der Quadratestadt Mannheim aufgreifen. In vier Bauabschnitten entstehen rund 200 hochwertige Wohneinheiten mit Wohn­flächen von 56 bis 160 Quadratmetern, die von grosser Vielfalt geprägt sind und eine soziale Durchmischung erlauben: mit zwei- bis dreigeschossigen Hof- und Reihenhaus-Clustern bis zu fünfgeschossigen sogenannten Quattrohäusern, Haus-im­-Haus-Typologien und Geschosswohnungen in den turmartigen Punkthäusern. Der im Frühjahr 2017 fertiggestellte erste Bauabschnitt erhielt eine Hugo-­Häring-Auszeichnung des BDA Baden-Württemberg. Im Fokus steht die hohe Wohn- und Gestaltungsqualität des Quartiers, das durch seinen eigenen Charakter Identifikationswert schafft und eine soziale Durchmischung erlaubt. Der Entwurf der Planer vereint die ökonomische Notwendigkeit verdichteten Wohnraums mit fliessenden Zwischenräumen, die für eine hohe Aufenthaltsqualität sorgen. In der Flächigkeit der Kubus-Struktur schaffen die von Fenstern, Balkonen, Loggien und Terrassen perforierten Fassaden Leichtigkeit.

Integrative Architektur für den sozialen Wohnungsbau
Bezahlbarer Wohnraum für lebenswerte Quartiere: In Wien hat das Architekturbüro Froetscher Lichtenwagner mit dem Bauprojekt «Gemeinschaftliches Wohnen Darnautgasse 12» bewiesen, dass Gestaltungsfreiheiten das soziale Mit­einander unterstützen können. Auf insgesamt 9580 Quadratmetern Fläche wurde neben den geförderten Wohnungen ein Eltern-Kind-Zentrum integriert und ein ganzer Gebäudeteil zum WG-Haus erklärt, darunter zwei sozialpädagogische Wohngemeinschaften. Trotz der engen Vorgaben, die der soziale Wohnungsbau den Planern auferlegte, konnten sie mit dem nutzungsoffenen «Möglichkeitsraum», einen Begegnungs- und Kommunikationsort für die Bewohner und Gäste schaffen, der das Konzept von Gemeinschaftsräumen neu definiert. Mit seinen zwei gläsernen Toren und einer schlichten, auf das Wesentliche reduzierten Gestaltung erinnert der Raum an eine Garage, die allen offensteht und Platz für Werkstatt- und Atelierarbeiten, Sport und Spiele sowie Nachbarschaftstreffen bietet. Die Bäder sind mit GROHE-Euro­smart-­Armaturen ausgestattet, bei denen zeitlos-reduziertes Design mit langlebiger Qualität verbunden ist.

Ein 50er-Jahre-Bau als Klimaschutzvorbild
Dass sich Nachhaltigkeit und modernes Wohnen auch mit Bestandsbauten aus den 50er-Jahren in Einklang bringen lassen, stellt das Projekt «Zukunftshaus» in Berlin-Lankwitz unter Beweis. Im Zuge der Sanierung des 1955 errichteten achtstöckigen Mehrfamilienhauses in der Havensteinstrasse setzte die degewo-eigene Bauabteilung «bau-Werk» auf modernste Nachhaltigkeitstechnologien: grossflächige Solarmodule, Strom- und geothermische Wärmespeicherung, Wärmepumpen, Deckenheizung sowie eine hoch effiziente Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Der Wohnkomplex mit seinen 64 Wohnungen versorgt sich so zu 100 Prozent selbst mit Wärmeenergie, zu knapp 50 Prozent wird der Strombedarf abgedeckt. Das «Zukunftshaus» zeigt somit, wie eine aktive Klimaschutzpolitik im Zuge der Energiewende im Wohnungsbau umsetzbar ist – und Wohnraum trotzdem für die Mieter bezahlbar bleibt.

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Darnautgasse 12: Schlafzimmer und Aufenthaltsräume sind alle zum ruhigen Innenhof gerichtet. Foto: Stephan Huger